Wirbelgleiten: Ist eine Operation sinnvoll?

Foto von Patientin in der Sprechstunde

Bei einem Wirbelgleiten kann eine Operation erwogen werden, wenn die Beschwerden über längere Zeit anhalten und den Alltag stark beeinträchtigen. Es ist aber nicht nachgewiesen, dass ein Eingriff besser hilft als konservative Behandlungen. Wer unsicher ist, kann eine zweite ärztliche Meinung einholen.

Beim Wirbelgleiten verschieben sich benachbarte Wirbel gegeneinander. Typischerweise tritt Wirbelgleiten an der auf. Der verrutschte Wirbel kann den Wirbelkanal verengen, in dem Rückenmark, Nervenbahnen und Gefäße verlaufen. Werden dadurch Nerven gequetscht, kann dies zu Rückenschmerzen führen, die in das Gesäß oder die Beine ausstrahlen können. Auch Taubheitsgefühle und ein Kribbeln in den Beinen oder Füßen sind möglich.

Normalerweise wird Wirbelgleiten konservativ behandelt – etwa mit und Schmerzmitteln. Eine Operation wird erst erwogen, wenn die Beschwerden sehr belastend sind und andere Behandlungen sie nicht ausreichend lindern. Da nicht gut in Studien untersucht ist, ob und wie gut eine Operation hilft, lohnt es sich, das Für und Wider sorgfältig zu prüfen. Denn ein Eingriff am Rücken hat auch verschiedene Risiken. Wer unsicher ist, kann eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung einholen.

Gut zu wissen:

Diese Entscheidungshilfe kann dabei unterstützen, die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten bei einem Wirbelgleiten abzuwägen.

Wann kommt eine Operation infrage?

Eine Operation kommt infrage, wenn

  • die Beschwerden so stark sind, dass sie den Alltag einschränken,
  • sie über viele Monate oder länger anhalten,
  • konservative Behandlungen nicht ausreichend geholfen haben und
  • eine bildgebende Untersuchung – meist eine Magnetresonanz-Tomografie () – Hinweise darauf liefert, dass ein verengter Wirbelkanal die Beschwerden verursacht.

Bei der Entscheidung für oder gegen eine Operation spielen auch die gesundheitlichen Voraussetzungen, das Alter, die berufliche und private Situation sowie die eigenen Wünsche und Erwartungen an die Operation eine Rolle.

Selten führt ein verengter Wirbelkanal zu einem Notfall, bei dem die Nerven im Wirbelkanal so stark blockiert sind, dass Lähmungserscheinungen auftreten oder die Blase oder der Darm nicht mehr richtig funktionieren (Kauda-Syndrom). Dann ist eine Operation unvermeidbar. Die meisten Operationen sind jedoch keine Notfälle, sondern haben das Ziel, Beschwerden im Alltag zu lindern.

Warum lässt sich schwer vorhersagen, ob eine OP erfolgreich sein wird?

Rückenoperationen haben insgesamt eher begrenzte Erfolgsaussichten. Ob ein Eingriff helfen wird, lässt sich vorab schwer sagen. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

  • Die Ursache der Beschwerden bleibt oft unklar. Denn Menschen mit Rückenbeschwerden haben meist mehrere (altersbedingte) Veränderungen an der Wirbelsäule – das zeigt zum Beispiel eine Studie aus Deutschland mit gut 3000 Teilnehmenden, die mittels Magnetresonanz-Tomografie () untersucht wurden. Bei 70 % wurde mehr als eine Veränderung gefunden.
  • Eine im festgestellte Auffälligkeit ist nicht unbedingt verantwortlich für die Beschwerden. Veränderungen der Wirbelsäule sind bei Menschen ohne Rücken- oder Beinschmerzen fast genauso häufig wie bei Menschen mit solchen Beschwerden: In einer großen Studie hatten 78 % der Menschen über 60 Jahre mit Beschwerden mindestens eine Auffälligkeit an der Wirbelsäule – aber auch 74 % der Menschen ohne Beschwerden.
  • Wie die Verengung die Nerven genau beeinträchtigt, ist unklar. Einige Fachleute vermuten, dass kleine Gefäße an den Nervenwurzeln abgedrückt und die Nerven deshalb schlechter versorgt werden. Eine andere Theorie ist, dass der Blutabfluss über die Venen behindert wird und sich Stoffwechselprodukte ansammeln, die die Nerven schädigen. Weil die Wirbelsäule sehr kompliziert ist, kann man sie nicht einfach reparieren wie eine kaputtes Maschinenteil.
  • Bei chronischen Schmerzen können auch andere Faktoren eine Rolle spielen, etwa eine gestörte Schmerzverarbeitung im Gehirn. Psychische Aspekte wie Ängste beeinflussen die Schmerzwahrnehmung ebenfalls. Auf solche Ursachen wirkt eine Operation nicht.

Welche Operationstechniken gibt es?

Bei einem Wirbelgleiten kommen zwei Operationstechniken infrage:

  • Dekompression: Hierbei werden Knochen und Bänder entfernt, die den Wirbelkanal verengen und auf die Nerven drücken. Es gibt verschiedene Verfahren, die sich darin unterscheiden, welche Strukturen entfernt werden – zum Beispiel der gesamte Wirbelbogen oder nur Teile davon. Da Knochen und Bänder wichtig für die Stabilität und Beweglichkeit der Wirbelsäule sind, wird bei einer Operation so wenig wie möglich davon entfernt.
  • Stabilisierung (auch Fusion, Versteifung oder Spondylodese genannt): Sie wird manchmal zusätzlich zur Dekompression gemacht – vor allem, wenn der verschobene Wirbel sich hin- und herbewegt (mobiles oder dynamisches Wirbelgleiten). Bei einer Fusion verbindet die Chirurgin oder der Chirurg die betroffenen Wirbelkörper mit Schrauben und Stäben so miteinander, dass sie fest in ihrer Position bleiben. Ist die Bandscheibe beschädigt, wird sie entfernt und der Raum zwischen den Wirbeln mit Knochen oder Titan-Implantaten ausgefüllt. Nach einer Versteifung ist ein um 1 bis 2 Tage längerer Krankenhausaufenthalt nötig.

Bei einer Wirbelkörperfusion nimmt die Beweglichkeit der verschraubten Wirbelkörper ab. Im Alltag fühlen sich die meisten Menschen dadurch aber wenig beeinträchtigt, da zum Beispiel beim Bücken ein Großteil der Beweglichkeit aus der Hüfte kommt.

Andere Operationsverfahren wie eine sogenannte dynamische Stabilisierung und künstliche Platzhalter (interspinöse Spreizer) werden bei einem Wirbelgleiten kaum eingesetzt. Sie werden in medizinischen Leitlinien derzeit nicht empfohlen.

Wird offen oder endoskopisch operiert?

Eine Dekompression mit oder ohne Versteifung ist als offene, mikrochirurgische oder endoskopische Operation möglich:

  • offene Operation: Bei der offenen Operation blickt die Chirurgin oder der Chirurg durch den Hautschnitt direkt auf die Operationsstelle. Hierfür wird manchmal ein Operationsmikroskop zur Hilfe genommen (mikrochirurgische Dekompression). Die Operation erfordert eine und einen Krankenhausaufenthalt von einigen Tagen. Zu den Risiken des Eingriffs gehören Blutungen, Nervenverletzungen und Infektionen. Eine kann zu Komplikationen wie Atem- oder Kreislaufstörungen führen.
  • endoskopische Operation: Bei einem endoskopischen Eingriff – auch Schlüssellochchirurgie () genannt – wird nur ein kleiner Schnitt von bis zu einem Zentimeter Länge gemacht. Durch den Hautschnitt wird ein bis zur Operationsstelle vorgeschoben. Über diesen Zugang werden sehr kleine Instrumente unter Röntgenkontrolle eingeführt und bedient. Der kleinere Schnitt soll eine schnellere Genesung ermöglichen und Operationsnarben vermeiden, die ihrerseits Beschwerden verursachen können. Aber auch hier gehören Blutungen, Nervenverletzungen und Entzündungen zu den Risiken des Eingriffs.

Wie gut hilft eine Operation?

Welche Erfolgsaussichten Operationen zur Entlastung des Wirbelkanals haben, ist nur in wenigen aussagekräftigen Studien untersucht worden. Zusammenfassend lässt sich daraus Folgendes schließen:

  • Es ist unklar, ob eine Operation bei einer Spinalkanalstenose mit Wirbelgleiten hilft, da aussagekräftige Studien zu dieser Frage fehlen.
  • Ob eine Operation oder eine mit und Medikamenten besser hilft, ist unklar. Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse.
  • In der Regel hat es keine Vorteile, zusätzlich zu einer Dekompression die betroffenen Wirbelkörper zu stabilisieren.
  • Ob eine Wirbelkörperfusion speziell Menschen mit mobilem Wirbelgleiten helfen kann, ist unklar, da an bisherigen Studien nur wenige Betroffene teilnahmen.

Welche Risiken hat eine Operation?

Während der Operation können die Rückenmarkshäute verletzt werden, was zu weiteren Problemen oder Beschwerden führen kann. Andere mögliche Komplikationen sind Infektionen, Wundheilungsprobleme und ein . Wenn es während des Eingriffs zu einem starken Blutverlust kommt, kann eine Bluttransfusion erforderlich werden.

In einer großen Studie wurde untersucht, wie häufig Menschen nach einer Operation wegen einer Komplikation ins Krankenhaus mussten. Dies waren

  • nach einer Dekompression 6 bis 7 von 100 Personen (davon hatten 1 bis 2 lebensbedrohliche Komplikationen) und
  • nach einer Versteifung 9 bis 10 von 100 Personen (davon hatten 3 bis 4 lebensbedrohliche Komplikationen).

Das Risiko für Komplikationen ist also größer, wenn zusätzlich zur Dekompression Wirbel versteift werden. Auch das Alter und der allgemeine Gesundheitszustand beeinflussen das Risiko für Komplikationen.

Nur äußerst selten werden Nerven bei einer Operation so schwer verletzt, dass es zu einer Lähmung kommt.

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Erstellt am 14. Februar 2024

Nächste geplante Aktualisierung: 2027

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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