Wichtig ist, die Krankheit zu akzeptieren

Foto von Mann beim Angeln

Kurt, 47 Jahre

„Irgendwann ist es dann so selbstverständlich wie das Waschen oder das Zähneputzen.“

Mein Diabetes mellitus wurde durch meinen Urologen festgestellt. Im ersten Moment war das ein kleiner Schock für mich. Ich hatte plötzlich Schmerzen beim Wasserlassen und musste häufiger zur Toilette, weil ich auch mehr getrunken hatte. Ich dachte, dass meine Blase oder meine Niere entzündet ist und bin zu meinem Urologen gegangen. So etwas hatte ich in meinem Leben vorher nicht gekannt. Er hat als Ursache einen vermutet. Beim Hinausgehen aus dem Arztzimmer fragte ich ihn noch: "Vielleicht musste ich deswegen auch in letzter Zeit mehr trinken?" Ich wurde oft nachts wach und hatte ein starkes Durstgefühl. Ein Glas Wasser habe ich dann ganz schnell weggezischt. Da wurde der Arzt noch mal aufmerksam und hat meinen Urin untersucht.

Meine Werte waren damals sehr schlecht

In den ersten Tagen bin ich immer davon ausgegangen, dass ich nur einen schlechten Tag hatte. Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen, dass ich Diabetes habe. Als mir meine Hausärztin dann die am Telefon bestätigte, fiel ich aus allen Wolken. Die ersten paar Tage waren schon heftig. Ende Oktober ist die endgültige gestellt worden und ich habe dann für den Januar einen Termin für eine Diabetesschulung in der Klinik bekommen. Nach der Schulung ging es ganz gut. Ich muss sagen, dass ich Glück im Unglück gehabt habe. Meine Werte waren damals, als man den Diabetes festgestellt hat, sehr schlecht. Ich habe großes Glück gehabt, dass ich recht schnell in guten Händen war.

Mir war dann klar, je schneller ich mich auf die Krankheit einlasse, desto besser kann ich damit umgehen. Ich habe dann auch von Anfang an gespritzt. Im ersten Moment war es schon komisch, sich selber zu spritzen. Aber ich hatte keine Angst vor Spritzen. Diese Angst, wie sie viele vor dem Spritzen haben, hatte ich noch nie gehabt. Es ging ganz schnell, dass ich mich selber spritzen konnte.

Es gibt hin und wieder leichte Probleme, hohe Werte oder auch niedrige. Manchmal wegen der Ernährung, manchmal wegen einer im Körper. Es gibt aber auch manchmal Werte, die sind unerklärlich. Man weiß dann nicht, warum sie zu hoch oder zu niedrig sind. Aber grundsätzlich sind meine Werte in Ordnung.

In den ersten Jahren war so ein Zeichen für eine , dass ich Schweißperlen auf der Stirn bekommen habe. Das hat mit der Zeit nachgelassen. Aber ab einem gewissen Grad merke ich die aber an verschiedenen Anzeichen. Ich merke zum Beispiel, dass ich mich nicht mehr richtig konzentrieren kann und ein wenig durcheinander bin. Manchmal merken die Menschen, mit denen ich viel zu tun habe, eher als ich, dass ich zu niedrige Werte habe. Dann meinen sie: "Es könnte gut sein, dass du mal was essen oder trinken musst. Kann es sein, dass es dir nicht gut geht?" Das ist manchmal ein schleichender Prozess, den man so gar nicht bemerkt, besonders, wenn man stark abgelenkt ist.

Ich habe eine Art Fahrplan, wie beim Zähneputzen

Wenn die Blutzuckerwerte nicht gut sind, dann schränkt das schon im beruflichen Leben ein, vor allem durch die Konzentrationsprobleme. Es gibt Tage, an denen man das sehr deutlich merkt. Aber an den meisten Tagen merkt man Gott sei Dank gar nichts.

Durch die sehr gute Betreuung der Fachleute bin ich recht schnell wieder fit geworden. Sie haben mich auch menschlich sehr gut betreut. Ich habe gelernt, wie man den Alltag mit Spritzen und Messen meistert. Also, das hat relativ schnell und gut funktioniert. Es gibt viel Schlimmeres auf der Welt als den Diabetes und ich lebe jetzt seit 20 Jahren damit und es ist kein Problem für mich.

Im Umfeld gab es keine Probleme. Meine Familie war eher zu behutsam und zu rücksichtsvoll mit mir.

Ich habe von Anfang an die intensivierte Insulintherapie gemacht. Ich messe regelmäßig den Blutzucker und passe die Insulinzufuhr dann entsprechend an. Einen Abstand zwischen Spritzen und Essen halte ich abhängig von der Situation manchmal ein, manchmal aber auch nicht. Je nachdem wie die Werte sind und wie die Situation ist. Ich habe für mich so eine Art Fahrplan, ähnlich wie beim Zähneputzen. Ich messe, wenn ich morgens aufstehe, kurz vor dem Mittagessen und vor dem Abendessen und dann noch mal kurz vor dem Schlafengehen. Bei Bedarf messe ich auch häufiger, um bei schlechten Werten den Blutzucker korrigieren zu können oder um zu schauen, ob die Korrektur erfolgreich war. Das ist alles schon ziemlich selbstverständlich in meinen Tagesablauf integriert. Es sei denn, dass sich der angedachte Tagesfahrplan verändert. Zum Beispiel im Urlaub, wenn ich plötzlich beschließe Sport zu treiben oder wenn ich es aus irgendeinem Grund nicht schaffe, die Mahlzeit pünktlich einzunehmen. Aber das sind fast immer hausgemachte Fehler. Im Nachhinein wird einem dann klar: "Das hättest du nicht machen dürfen. Es ist kein Wunder, dass der Wert zu hoch oder zu niedrig ist." Aber ansonsten habe ich mich in diesen Fahrplan recht schnell hineingefunden. In der ersten Zeit war das manchmal schon ein wenig nervig. Irgendwann ist es dann so selbstverständlich wie das Waschen oder das Zähneputzen.

Ich versuche über den Tag verteilt zwischen den Hauptmahlzeiten etwas Kleines zu mir zu nehmen. Manchmal passt es aber auch nicht in den Tagesplan oder es passt in der Situation gerade nicht. Da gehe ich flexibel damit um. Gewichtsprobleme habe ich bisher auch nicht gehabt.

Die Erkrankung zu akzeptieren, darauf kommt es an

An die Vorsorgeuntersuchungen denke ich regelmäßig. Die sind mir sehr wichtig. Da habe ich einfach Sorge vor Folgeschäden.

Ich sehe es als ganz wichtig an, dass man schnell einen guten Arzt findet, am besten einen Diabetes-Schwerpunktarzt oder eine Klinik, in der der Blutzucker eingestellt werden kann. Als sehr wichtig sehe ich es an, dass man seine Erkrankung akzeptiert. Das ist ganz wichtig, desto schneller geht man gut damit um. Wichtig sind auch gute Informationen, um sich für die Bewältigung der Erkrankung fit zu machen. Die Akzeptanz für sich selber ist ganz wichtig.

Diabetes ist keine Krankheit, die einen vor endlos viele Probleme stellt. Das war es vielleicht ganz früher, als noch so vieles verboten war. Aber so ist es ja nicht mehr.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Aktualisiert am 11. August 2021

Nächste geplante Aktualisierung: 2024

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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