Was hilft im Alltag mit einer Sehbehinderung?

Eine Sehbehinderung kann angeboren sein, aber auch durch verschiedene Erkrankungen entstehen – zum Beispiel einen Grauen Star oder Grünen Star, eine Netzhautablösung oder Makuladegeneration. Werden solche Krankheiten nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, können sie das Sehen stark beeinträchtigen und bis zur Erblindung führen.

Es gibt verschiedene Hilfen und Versorgungsleistungen, die den Alltag mit einer Sehbehinderung erleichtern – und Beratungsstellen, die helfen, mit den Auswirkungen umzugehen.

Was gilt als Sehbehinderung?

Eine Sehbehinderung wird zum einen daran festgemacht, wie gut das eigene Sehvermögen ist – auch Sehschärfe oder Visus genannt. Dieser Visus gibt an, wie gut die Augen „auflösen“. Dazu wird gemessen, wie weit zwei Punkte in einer bestimmten Entfernung auseinander liegen müssen, damit man sie auch als getrennt wahrnimmt.

Normalsichtige Menschen können zwei Punkte mit 1,5 Millimetern Abstand in einer Entfernung von 5 Metern gut unterscheiden (Visus von 1,0). Sie erkennen also auf einer Sehtafel in 5 Metern Entfernung, wie ein c-förmiges Zeichen mit einer 1,5 Millimeter großen Öffnung ausgerichtet ist. Vor allem junge Menschen haben oft sogar einen höheren Visus als 1,0 und erkennen das Zeichen auch aus größerer Entfernung. Je näher man dafür jedoch herantreten muss, desto geringer ist der Visus.

Eine Sehbehinderung haben Menschen, die trotz Sehhilfe auf beiden Augen maximal einen Visus von 0,3 haben – umgangssprachlich spricht man auch von einer 30-prozentigen Sehschärfe. Das bedeutet, dass sie 1,5 Meter vor der Sehtafel stehen müssen, um die Öffnung des c-förmigen Zeichens zu sehen. Im Alltag lassen sich dann etwa nur die Überschriften in Büchern und Zeitschriften entziffern, nicht der kleinere Fließtext.

Bei einem Visus von maximal 0,05 sprechen Fachleute von einer hochgradigen Sehbehinderung. Wer blind ist, hat einen Visus von 0,02 oder weniger auf beiden Augen.

Aber auch andere Sehbeeinträchtigungen können als Sehbehinderung gelten – etwa ein stark eingeengtes Gesichtsfeld. Das Gesichtsfeld ist der Bereich, den man sieht, ohne die Augen zu bewegen. Mit einem Auge nimmt man normalerweise nach links und rechts einen Bereich von insgesamt bis zu 150 Grad wahr, nach oben und unten bis zu 135 Grad. Erkrankungen wie eine Netzhautablösung oder ein Schlaganfall können das Gesichtsfeld einschränken. Wer in allen Richtungen ein Gesichtsfeld von 5 Grad oder weniger hat, hat eine Sehbehinderung – selbst wenn die Sehschärfe normal ist. Kommen ein verengtes Gesichtsfeld und eine schlechte Sehschärfe zusammen, führen schon geringere Einschränkungen zu einer Sehbehinderung.

Wie wirkt sich eine Sehbehinderung aus?

Eingeschränkt zu sehen, hat weitreichende Auswirkungen auf viele Lebensbereiche – beispielsweise fällt es schwer, sich außerhalb der eigenen vier Wände zu orientieren und zu bewegen. Je nachdem, wie stark die Sehbehinderung ist, verliert man einen Teil seiner Selbstständigkeit und braucht die Hilfe anderer Menschen.

Meist dauert es eine Weile, die neue Situation zu akzeptieren und sich an die Veränderungen zu gewöhnen. Es braucht einige Willenskraft und Kreativität, um mit der Unterstützung anderer Personen oder technischer Hilfsmittel bestimmte Aktivitäten möglich zu machen. Und trotz verschiedener Hilfsmittel erfordern viele alltägliche Aufgaben mehr Zeit.

Je nachdem, wie stark die Sehbehinderung ist, kann man manche Dinge möglicherweise gar nicht mehr erleben – zum Beispiel ein Buch zu lesen, selbst Auto zu fahren oder einen Sternenhimmel zu sehen. Die neue Situation belastet manche Betroffene daher über längere Zeit psychisch sehr stark. Dann kann es helfen, sich psychologische Unterstützung zu suchen.

Was erleichtert den Alltag mit einer Sehbehinderung?

Wer mit dem eigenen Umfeld über die Auswirkungen der Sehbehinderung spricht, erfährt häufig mehr Verständnis und Unterstützung. Vielen hilft auch der Austausch mit anderen Betroffenen, beispielsweise in einer Selbsthilfegruppe. Dort kann man unter anderem Erfahrungen mit folgenden Hilfsmitteln besprechen:

  • Vergrößernde Sehhilfen wie Monokulare (Handfernrohr), Ferngläser, Lupen oder Lupenbrillen helfen dabei, Straßenschilder, Hausnummern oder Fahrplananzeigen zu erkennen.
  • Mit der Lupen- oder Zoom-Funktion des Smartphones oder Tablets können Schrift oder Gegenstände ebenfalls vergrößert werden.
  • Navigations-Apps helfen, sich unabhängig von Straßenschildern zu orientieren.
  • Digitale Geräte wie Computer oder E-Book-Reader ermöglichen es, mit größerer Darstellung und optimierten Kontrasten zu lesen – oder sie lesen Text direkt vor.
  • Diktiergeräte oder die Aufnahme-Funktion eines Smartphones können schriftliche Notizen und Listen ersetzen.

Gut zu wissen:

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband hat auf seiner Internetseite zahlreiche weitere Alltagstipps von und für Betroffene gesammelt.

Welche Versorgungsleistungen gibt es?

Je nach Situation können folgende Leistungen infrage kommen:

  • Hilfsmittel: Verschiedene Hilfsmittel wie Vorlesesysteme, Orientierungshilfen oder Blindenstöcke können bei einer Sehbehinderung helfen. In einem Mobilitätstraining lernt man außerdem, sich mithilfe des Blindenstocks und anderer Sinneseindrücke zu orientieren. Wird ein Hilfsmittel ärztlich verordnet, kann man bei der gesetzlichen Krankenkasse eine Kostenübernahme beantragen.
  • Sehbehinderten- oder Blindengeld: Blinde Menschen können monatliche finanzielle Hilfen beantragen, in einigen Bundesländern ist dies auch bei einer hochgradigen Sehbehinderung möglich. Die Höhe der Unterstützung hängt vom jeweiligen Bundesland ab. Je nach Bundesland kann man sie meist beim Sozialamt, bei der Gemeinde- oder der Kreisverwaltung beantragen.
  • Leistungen der Pflegeversicherung: Dazu zählen beispielsweise das Pflegegeld sowie Zuschüsse, um den Wohnraum barrierefrei umzugestalten. Auf welche Leistungen man Anspruch hat, hängt vom Grad der Pflegebedürftigkeit ab. Dieser wird von Gutachterinnen und Gutachtern etwa des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) festgestellt.
  • Blindenhilfe: Blinde Menschen erhalten zudem monatliche Leistungen abhängig von ihrem Einkommen und Vermögen. Bekommt man bereits Blindengeld, wird dieses auf die Blindenhilfe angerechnet. Auch das Pflegegeld wird zum Teil abgezogen. Den Antrag auf Blindenhilfe stellt man je nach Bundesland meist beim Sozialamt oder bei der Stadtverwaltung.
  • Schwerbehindertenausweis: Ab einem bestimmten Grad der Behinderung, der von der Seheinschränkung auf beiden Augen abhängt, erhält man auf Antrag einen Schwerbehindertenausweis, der einige Nachteilsausgleiche bietet. Dazu gehören zum Beispiel vergünstigte Eintrittsgelder, die kostenlose Benutzung bestimmter öffentlicher Verkehrsmittel und besondere Rechte im Arbeitsleben. Zuständig ist das örtliche Versorgungsamt.

Welche Unterstützung ist im Arbeitsleben möglich?

Eine Sehbehinderung führt oft dazu, dass man seine Arbeit nicht mehr wie zuvor ausführen kann. Viele Betroffene sorgen sich daher, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Es gibt aber einige Möglichkeiten, das Arbeitsleben so zu gestalten, dass man weiter arbeiten kann.

Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis haben Anspruch auf bestimmte Unterstützungsleistungen, um ihre Arbeit weiter ausführen zu können. Wer zwar keinen Schwerbehindertenausweis, aber einen Grad der Behinderung von 30 oder mehr hat, kann eine sogenannte Gleichstellung mit Menschen mit Schwerbehinderung beantragen. Voraussetzung ist, dass der eigene Arbeitsplatz aufgrund der Behinderung gefährdet ist oder man keine Arbeit findet. Durch die Gleichstellung hat man Anspruch auf viele Leistungen, die auch Menschen mit Schwerbehinderung zustehen. Dazu zählen finanzielle Hilfen,

  • um den Arbeitsplatz behindertengerecht zu gestalten, zum Beispiel durch technische Arbeitshilfen wie Vergrößerungs-Software, Vorlesesysteme oder Großschrifttastaturen,
  • um den Arbeitsplatz zu erreichen, zum Beispiel mit einem Beförderungsdienst, und
  • für eine Arbeitsassistenz – also regelmäßige Unterstützung bei beruflichen Aufgaben durch eine Person, die beispielsweise vorliest.

Zudem haben Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis und ihnen Gleichgestellte einen besonderen Kündigungsschutz. Rehabilitations-Beraterinnen und -Berater der Rentenversicherung können dazu informieren, welche Leistungen in der eigenen Situation möglich sind.

Eine Lösung ist manchmal auch, in einen anderen Beruf zu wechseln, der sich mit der Sehbehinderung besser vereinbaren lässt. Zu beruflicher Neuorientierung, Aus- und Weiterbildungen beraten beispielsweise die Arbeitsagenturen und Berufsförderungswerke. Wer kaum oder gar nicht mehr arbeiten kann, hat möglicherweise Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente. Dazu informiert die Rentenversicherung.

Welche Beratungsstellen gibt es?

Mit einer Sehbehinderung können viele Fragen und Sorgen verbunden sein. Auf der Internetseite des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands lässt sich nach Beratungsstellen in der Nähe suchen. Dort findet sich auch eine Liste mit Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die Erfahrung in der Behandlung von Menschen mit einer Sehbehinderung haben. Außerdem kann man nach einer Selbsthilfegruppe suchen.

Bei speziellen Anliegen kann man sich zudem an folgende Anlaufstellen wenden:

  • Unabhängige Patientenberatung Deutschland (zum Beispiel für Informationen zu Patientenrechten)
  • Telefon- oder Onlineberatung der eigenen Krankenversicherung (zum Beispiel, um Hilfsmittel, eine Haushaltshilfe oder Pflegeleistungen zu beantragen)
  • Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung (zum Beispiel für Informationen zur behindertengerechten Arbeitsplatzausstattung oder zur Erwerbsminderungsrente)
  • Versorgungsämter (zum Beispiel, um einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen)
  • Bundesagentur für Arbeit (zum Beispiel zur Beantragung der Gleichstellung und zur Beratung zum Berufswechsel)
  • Integrations- und Inklusionsämter (zum Beispiel zur Beratung zu Hilfen im Arbeitsleben)
  • Sozialberatungsstellen der Stadt oder von Wohlfahrtsverbänden wie Caritas oder Diakonie (zum Beispiel zur Beratung bei finanziellen Schwierigkeiten)
  • psychosoziale Beratungsstellen (zur Beratung bei psychischer Belastung und seelischen Krisen)

Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA). Richtlinie über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL) [zuletzt geändert am 19. Januar 2023 veröffentlicht im Bundesanzeiger (BAnz AT 11.04.2023 B1) in Kraft getreten am 12. April 2023]. 2023.

Lang GK, Lang SJ. Augenheilkunde. Stuttgart: Thieme; 2024.

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Über diese Seite

Erstellt am 11. September 2024

Nächste geplante Aktualisierung: 2027

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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