Vor- und Nachteile von Früherkennungsuntersuchungen

Foto von zwei Männern in einer Unterhaltung

Dieser Text beschreibt ausführlich, welche Vor- und Nachteile Angebote zur Früherkennung und Vorsorge haben können – und warum es wissenschaftliche Studien braucht, um sinnvolle von schädlichen Untersuchungen unterscheiden zu können. Es geht sozusagen um den Beipackzettel zur Früherkennung.

Medizinische Untersuchungen dienen meist dazu, die Ursachen für Beschwerden zu finden. Eine Früherkennungsuntersuchung richtet sich jedoch an Menschen ohne Beschwerden. Sie soll eine Krankheit möglichst früh entdecken, um sie besser behandeln oder sogar heilen zu können – ein auf den ersten Blick sehr überzeugendes Ziel. Bei bestimmten Untersuchungen, zum Beispiel bei der Darmspiegelung, können auch Vorstufen entdeckt und anschließend entfernt werden. Lässt sich dadurch eine Krankheit verhindern, spricht man von Vorsorge.

Allerdings ist Früherkennung nicht immer erfolgreich. Ein Beispiel ist die Früherkennung von Eierstockkrebs: Die hierzu oft angebotene verbessert NICHT die Heilungschancen. Bei anderen Erkrankungen wie etwa Prostatakrebs hat die Früherkennung zwar Vorteile, aber auch ernsthafte Nachteile.

Einige einfache Fragen können helfen, sich einen Überblick zu verschaffen, welche Untersuchungen man für sich nutzen will und welche eher nicht. Dieser Text beschreibt ausführlich, welche Vor- und Nachteile Angebote zur Früherkennung und Vorsorge haben können – und warum es wissenschaftliche Studien braucht, um sinnvolle und schädliche Untersuchungen unterscheiden zu können. Es geht sozusagen um den Beipackzettel zur Früherkennung.

Welche Vorteile kann die Früherkennung haben?

Es gibt eine Reihe gut untersuchter Früherkennungsuntersuchungen, die folgende Vorteile haben:

  • Eine Krankheit kann verhindert werden (Vorsorge): Das leistet zum Beispiel die Früherkennung von Darmkrebs oder Gebärmutterhalskrebs. Hier wird nach gutartigen Vorstufen gesucht. Werden diese erkannt und behandelt, entsteht Krebs gar nicht erst. Damit schützt sie auch vor den psychischen Belastungen einer Krebsdiagnose und vor Behandlungen mit zum Teil schweren Nebenwirkungen.
  • Eine Krankheit kann zwar nicht verhindert werden, aber die Chancen auf schonende Behandlung und Heilung steigen. Das trifft zum Beispiel auf die Früherkennung von Brustkrebs zu: Sie kann Brustkrebs entdecken, bevor er sich im Körper ausbreitet.

Selbst gut untersuchte Früherkennungsmethoden sind aber nicht perfekt: Meist lässt sich zum Beispiel das eigene Risiko, an einem Krebs zu sterben, um 30 % bis 60 % senken. Sie bieten also keine völlige Sicherheit.

Welche Nachteile kann die Früherkennung haben?

Genau wie beim Beipackzettel eines Medikaments ist die Liste der möglichen Nebenwirkungen einer Früherkennungsuntersuchung immer länger als der Abschnitt zu Wirksamkeit und Zielen. Von den möglichen Nachteilen zu wissen, ist aber wichtig, um eine gute eigene Entscheidung treffen zu können. Dieses Wissen kann außerdem helfen, besser mit den Nachteilen umzugehen, falls sie einen betreffen.

Die Nachteile lassen sich folgendermaßen unterscheiden:

  1. Eine Untersuchung kann Nebenwirkungen haben oder es kann zu Komplikationen kommen, zum Beispiel zu Verletzungen.
  2. Die Untersuchung ergibt einen falschen Verdachtsbefund. Dies kann unnötig verunsichern und belasten.
  3. Eine Krankheit wird zwar entdeckt, daraus ergibt sich aber keine verbesserte Heilungschance.
  4. Eine Methode ist nicht gut untersucht: Dann ist unklar, ob sie einen Vorteil hat und wenn ja, ob er mögliche Nachteile überwiegt.

Die folgenden Abschnitte erklären diese Nachteile genauer.

Welche Nebenwirkungen und Komplikationen sind möglich?

Zu welchen Nebenwirkungen und Komplikationen es kommen kann, hängt von der Untersuchungsmethode ab. Durch eine Blutentnahme können sich zum Beispiel Blutergüsse bilden, eine Darmspiegelung kann (selten) zu Verletzungen des Darms führen.

Mit dem Einsatz von Röntgenstrahlung ist ein geringes Krebsrisiko verbunden. Deshalb dürfen Röntgenuntersuchungen und Computertomografien () in Deutschland nur dann in einem Früherkennungsprogramm eingesetzt werden, wenn es dafür eine Genehmigung des Bundesamts für Strahlenschutz gibt. Dies trifft derzeit nur für die zur Früherkennung von Brustkrebs zu.

Was bedeuten falsche Verdachtsbefunde?

Früherkennung wird von Fachleuten oft auch „“ genannt, nach dem englischen Wort für „aussieben“: Tatsächlich sollen ja in einer großen Gruppe von Menschen ohne Beschwerden die erkannt werden, bei denen die Erkrankung doch schon besteht.

Das ist oft nicht einfach: Krebserkrankungen beispielsweise sind zum Glück nicht allzu häufig. Zum Beispiel Brustkrebs: Fachleute des Früherkennungsprogramms gehen davon aus, dass von 1000 Frauen im Alter ab 50 Jahren etwa 8 einen unentdeckten Brustkrebs haben.

Die Untersuchung soll also:

  • Erkrankte zuverlässig als krank erkennen und
  • Gesunde zuverlässig als gesund einordnen.

In der Realität können aber zwei Fehler passieren:

  • eine Person mit der Krankheit wird übersehen. Fachleute nennen das einen „falsch-negativen Befund“.
  • Manchmal ist ein Befund auffällig, die Person aber in Wirklichkeit gesund. Das ist ein „falsch-positiver Befund“.

Wegen der falsch-positiven Befunde besteht die Früherkennung meist aus zwei Untersuchungsschritten. Im ersten Schritt wird nach Auffälligkeiten oder Hinweisen auf die jeweilige Krankheit gesucht. Wenn ein Hinweis gefunden wird, ist eine weitere Untersuchung nötig, um abzuklären, ob die Krankheit tatsächlich besteht. Ein Beispiel: Bei der kann ein Hinweis auf Brustkrebs gefunden werden. Ob es sich tatsächlich um Krebs handelt, lässt sich letztlich nur mit einer Biopsie feststellen.

Wegen der möglichen falsch-negativen Befunde ist vor allem eins wichtig: Wenn Beschwerden auftreten, die auf eine Krankheit hindeuten, sollte man sie ernst nehmen – auch wenn man gerade bei der Früherkennung war.

Wichtig ist

Ein positiver Befund der Früherkennung ist KEINE . Die meisten auffälligen Befunde stellen sich bei weiteren Untersuchungen als falsch heraus.

Verbessert die Früherkennung die Heilungschancen?

Wenn bei einer Untersuchung tatsächlich eine unentdeckte Krankheit gefunden und korrekt diagnostiziert wird, ist das für Betroffene oft sehr zwiespältig: Eine ist immer eine schlechte Nachricht – gerade wenn es eine Krebsdiagnose ist. Andererseits sind diese Diagnosen ja der Zweck der Früherkennung: Die Untersuchungen sollen Krankheiten früher finden – um die Heilungschancen zu verbessern.

Krebserkrankungen verlaufen aber sehr unterschiedlich. Deshalb bedeutet eine frühe Entdeckung nicht unbedingt, dass ein Tumor dadurch besser behandelt oder sogar geheilt werden kann.

Ziel der Früherkennung bei Krebs ist es, einen Tumor zu erkennen, bevor er sich durch im Körper ausbreitet. Denn dann lässt er sich nur noch schwer behandeln und die Chancen auf Heilung werden geringer. Doch es gibt vier verschiedene Tumortypen, und nur beim ersten hat die Früherkennung einen echten Vorteil:

  • Früherkennung kann die Heilungschancen verbessern, wenn der Tumor zu den Krebstypen gehört, die relativ lange nur lokal wachsen (Krebstyp 1). Dann können sie während dieser Zeit durch eine Früherkennungsuntersuchung entdeckt und dann geheilt werden.
  • Dagegen können Tumoren, die sich bereits sehr früh im Körper ausbreiten (metastasieren), durch eine Früherkennungsuntersuchung oft nicht rechtzeitig gefunden werden (Krebstyp 2). Hier führt Früherkennung zwar zu einer Vorverlegung der , aber nicht zu einer Verbesserung der Heilungschancen. In anderen Worten: Die Früherkennung verlängert das Leben der Menschen nicht – sie wissen nur früher, dass sie an Krebs erkrankt sind.
  • Es gibt auch Tumoren, die gar nicht oder erst so spät metastasieren, dass sie selbst dann noch heilbar sind, wenn sie durch Symptome auffallen (Krebstyp 3). Auch hier beeinflusst die Früherkennung also nicht die Heilungschancen.
  • Manche Tumortypen schließlich wachsen so langsam, dass sie nie durch Beschwerden auffallen würden (Krebstyp 4). Ihre Entdeckung in einer Früherkennungsuntersuchung stellt eine sogenannte Überdiagnose dar, also eine , die keine gesundheitliche Bedeutung hätte, würde man sie nicht stellen.

Das Dilemma ist: Bei der eines Tumors lässt sich meist nicht sicher vorhersagen, zu welchem Tumortyp er gehört. Auch wie häufig diese jeweils sind, lässt sich oft nur schätzen. Bei Prostatakrebs gehen Fachleute zum Beispiel davon aus, dass die Hälfte der durch Früherkennung gefundenen Tumoren zu denen gehören, die ohne die Untersuchung nie aufgefallen wären.

Ist die Früherkennung gut untersucht?

Früherkennung muss in guten Studien untersucht werden muss, damit sich ihre Vor- und Nachteile beurteilen lassen. Diese Studien gibt es zum Beispiel für die meisten Untersuchungen, die von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden.

In Studien, die die Vor- und Nachteile einer Früherkennungsuntersuchung prüfen, geht es nicht nur darum, wie genau sie ist. Wichtig ist vor allem die Frage, ob sie gesundheitliche Vorteile für die Menschen hat, die daran teilnehmen.

Nutzen und Schaden einer Früherkennungsuntersuchung lassen sich nur in vergleichenden Studien gegeneinander abwägen. Dabei werden einer Gruppe regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen angeboten, der anderen nicht. Am Ende der Studie schaut man dann beispielsweise, ob die Menschen in der ersten Gruppe seltener an der Erkrankung gestorben sind und ob es durch die Früherkennungsuntersuchung häufiger zu Komplikationen kam als in der anderen Gruppe.

Am aussagekräftigsten sind randomisierte kontrollierte Studien, in denen die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer Gruppe zugeordnet werden. Solche Studien gibt es für viele Früherkennungsuntersuchungen, beispielsweise die oder die Darmspiegelung.

Einige Früherkennungsuntersuchungen werden als sogenannte Individuelle Gesundheitsleistungen () angeboten. In der Regel fehlen zu diesen Früherkennungsangeboten aussagekräftige Studien zu Nutzen und Schaden. Oder gute Studien konnten keine Vorteile finden, wie etwa beim Ultraschall zur Früherkennung von Eierstockkrebs. Solche Untersuchungen müssen selbst gezahlt werden. Informationen der gesetzlichen Krankenkassen zu ausgewählten IGe-Leistungen finden sich beim „IGeL-Monitor“ des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbands der Krankenkassen.

Was müssen gute Früherkennungsprogramme leisten?

Wegen der oben beschriebenen Nachteile hat die () bereits in den 1960er-Jahren Anforderungen an gute Früherkennungsprogramme formuliert. Die WHO-Kriterien sind unter anderem:

  • Es soll nur auf Krankheiten mit ernsthaften Folgen untersucht werden, sodass die Menschen, die an der Früherkennung teilnehmen, auch einen klaren gesundheitlichen Vorteil davon haben können.
  • Es muss eine ausreichend zuverlässige Untersuchungsmethode zur Früherkennung geben, die selbst nicht schädlich ist.
  • Es muss eine wirksame Behandlung der früh erkannten Krankheit geben – und es muss nachgewiesen sein, dass diese Behandlung erfolgreicher ist, wenn sie eingesetzt wird, noch bevor Beschwerden auftreten.
  • Menschen sollten neutral informiert werden, um für sich persönlich abwägen zu können, ob sie an der Früherkennungsuntersuchung teilnehmen möchten oder nicht.

Die betont, dass es nicht automatisch von Vorteil ist, eine Krankheit früh zu entdecken. Wenn eine frühe mit anschließender Behandlung nicht zu besseren Ergebnissen führt als eine späte, verlängert eine frühe nur die Zeit, in der jemand in Sorge lebt. Und zwar unnötig, denn die frühere Behandlung hat ja keinen Vorteil.

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Über diese Seite

Erstellt am 20. April 2022

Nächste geplante Aktualisierung: 2025

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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