Sport und Bewegung nach der OP sind für mich das A und O

Paar beim Radfahren in der Natur

Nicole, 66 Jahre

„Wenn wir im Sommer viele Fahrradtouren machen, merke ich einen deutlichen Unterschied. Dann sind die Muskeln stärker und Hüfte und Beine tun weniger weh.“

Vor dreißig Jahren wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass irgendetwas mit meinen Hüften nicht stimmte. Wir waren drei Jahre in Amerika und fuhren dort im Alltag sehr viel Auto. Wieder zurück in Deutschland, ging ich viel mehr zu Fuß und hatte immer häufiger bei leichten Belastungen im Alltag Hüftschmerzen. Wenn ich beispielsweise meinen Sohn zum Kindergarten brachte, wurde der eigentlich kurze Weg immer beschwerlicher. Deswegen fuhr ich immer häufiger mit dem Fahrrad, da ich dabei keine Schmerzen hatte.

Ich habe einiges ausprobiert, um die Beschwerden loszuwerden: Ich habe angefangen zu turnen, um beweglicher zu sein. Mir Gelatinepulver gekauft und gehofft, dass der Knorpel und die Gelenke gestärkt werden. Und noch einiges mehr. Aber nichts hat wirklich geholfen und die Beschwerden wurden immer schlimmer.

Erst der zweite Orthopäde erkannte das geschädigte Hüftgelenk

Ich war zuerst bei einem „Wald-und-Wiesen-Orthopäden“ mitten auf dem Land, der nichts fand. Später erkannte ein anderer Orthopäde auf dem Röntgenbild, dass mein Hüftgelenk geschädigt war. Die Ursache war eine angeborene Veränderung der Hüftgelenkspfanne, die nicht erkannt worden war. Durch die Fehlbelastung wurde das Gelenk im Laufe der Jahre immer mehr in Mitleidenschaft gezogen.

Für mich war es ein Schock, als ich hörte, dass ich ein neues Hüftgelenk brauche und operiert werden müsste – ich war ja erst Ende 30. Bei der war der Orthopäde auch sehr unsensibel, was die Kommunikation anging: Er legte einfach das Röntgenbild auf den Tisch und sagte: „Sie brauchen eine neue Hüfte.“

Das akzeptierte ich erst einmal nicht und ging zu weiteren Ärzten. Außerdem begann ich mit einer , um die Hüftmuskulatur zu stärken und damit das Gelenk zu schonen. Ich vermied es, zu viel zu Fuß zu gehen, und erledigte fast alles mit dem Fahrrad. Ich hob auch nicht mehr schwer und hoffte, so die Operation so lange wie möglich hinauszögern zu können.

Meine erste Hüftprothese bereitete viele Probleme

Nach ein paar Jahren waren die Beschwerden aber so stark, dass ich nicht mal mehr auf das Fahrrad steigen konnte, weil ich das rechte Bein nicht heben konnte. Auf dem Röntgenbild sah man, dass mittlerweile beide Hüftgelenke stark geschädigt waren – rechts stärker als links.

Nachdem ich mir die Meinung von zwei Ärzten angehört hatte, rang ich mich zur Operation durch. Dabei wurde eine sogenannte Druckscheibenprothese verwendet, die damals ganz neu auf dem Markt war und den Oberschenkelknochen nicht so stark belasten sollte. Dadurch sollte es leichter sein, später eine weitere Prothese einzusetzen. Man ging ja davon aus, dass ich in meinem Leben noch mindestens eine zweite OP brauche, da künstliche Hüftgelenke nur eine begrenzte Zeit halten.

Die OP selbst ist gut gelaufen, ich bin schnell wieder auf die Beine gekommen. Leider war die Erleichterung durch das neue Gelenk nicht so groß wie erhofft. Ich hatte auch lange nach der Operation starke Schmerzen. Im Nachhinein denke ich, dass der Winkel, mit dem die Prothese eingesetzt wurde, falsch war. Beweisen konnte ich es aber nie.

Erst nach der vierten Prothese hatte ich Ruhe

Kurze Zeit später bin ich im Keller ausgerutscht, als ich auf Stützen eine Tür aufstoßen wollte. Dabei brach der rechte Oberschenkelknochen unterhalb der Prothese, wurde operiert und mit einer Schiene versorgt. Der Bruch heilte aber trotzdem nicht, sodass ich schließlich eine zweite Prothese bekam. Die hielt erst einmal zwei Jahre – dann lockerte sich aber der Zement und es musste ein drittes künstliches Gelenk her.

Mittlerweile habe ich auf der rechten Seite die vierte Prothese. Und diese hält jetzt endlich seit über zehn Jahren. Es ist eine extralange Prothese, die sehr fest eingebaut und dadurch sehr stabil ist. Leider bekomme ich bei langem Sitzen starke Schmerzen an den Sitzbeinhöckern. Die Physiotherapeuten sagten mir, dass verklebte Faszien die Ursache dafür seien und dieses Problem häufig bei solchen langen Prothesen auftrete.

Die OP am anderen Hüftgelenk war viel unkomplizierter

Das Hüftgelenk auf der anderen Seite war ein paar Jahre später dran. Ich bekam links eine Kurzschaft-Prothese, die ich sehr gut vertrage und bis heute habe.

Leider machte aber die rechte Seite weiter Probleme: Ich hatte Schmerzen und humpelte stark. Zur Linderung habe ich viel Krankengymnastik gemacht und es auch mit versucht – beides aber ohne Erfolg. Ein Jahr später benutzte ich sogar wieder die Krücken aus der Zeit vor den Operationen.

Trotzdem sehe ich einen deutlichen Erfolg: Ich komme wieder an meine Füße heran, kann mir die Fußnägel schneiden und selbst Strümpfe anziehen. Vor den OPs hätte ich mich in der Hüfte gar nicht so weit und über längere Zeit nach vorne beugen können.

Mein Rheuma hat die Schmerzen vermutlich mit beeinflusst

Außerdem habe ich über all die Jahre noch eine andere Erkrankung: eine Gefäßentzündung durch Rheuma. Als diese erfolgreich mit behandelt wurde, hatte ich nach Jahren zum ersten Mal am ganzen Körper keine Schmerzen mehr.

Im Nachhinein weiß man nicht, ob meine Schmerzen zum Teil durch die rheumatische verursacht worden waren und gar nicht durch die Hüftarthrose und die Prothesen.

Die einseitige Belastung hat die Wirbelsäule und ein Knie geschädigt

Da ich links weniger Beschwerden habe, belaste ich das linke Bein mehr. Und das wirkt sich auf andere Gelenke aus: Ich habe starke Rückenschmerzen und am linken Kniegelenk mittlerweile eine Arthrose. Da die Hüftmuskeln rechts durch die vielen Operationen schwächer sind, steht das Becken schief. Es belastet mich auch psychisch, dass ich humpele.

Im Nachhinein denke ich, dass mir eine Gehschule geholfen hätte, um mein Gangbild zu trainieren und keine weiteren Haltungsschäden zu bekommen. Die Gehschule kannte ich von den Reha-Aufenthalten nach den Operationen. Ich hätte sie gerne zu Hause fortgeführt – leider stieß ich damit bei den Orthopäden auf taube Ohren.

Viel Sport und Dehnübungen im Alltag helfen

Was mir sehr hilft, beweglich und schmerzfrei zu bleiben, ist Fahrradfahren. Wenn wir lange Fahrradtouren über eine Woche machen, merke ich einen deutlichen Unterschied. Dann sind die Muskeln stärker und Hüften und Beine tun weniger weh. Mittlerweile habe ich ein Elektrorad – so muss ich bei einer steilen Bergfahrt nicht absteigen und schieben. Was ich mehr machen müsste, sind Dehn- und Stärkungsübungen. Leider ist der innere Schweinehund oft zu groß. Zeit hätte ich ja, zum Beispiel abends beim Fernsehen.

Die Hüftschmerzen haben auch den Sex beeinflusst

Da ich so jung war, habe ich die erste OP bestimmt zehn Jahre hinausgeschoben. Dadurch hatte ich lange Zeit Hüftschmerzen, was auch den Sex beeinflusste. Eine Hüftarthrose schränkt ja nicht nur das Gehen ein, sondern alle Bewegungen des Lebens.

Es waren deswegen schon schwierige Zeiten in der Partnerschaft. Denn auch nach der OP ging es erst einmal durch die Prothese nicht. Aber ich bin dankbar, dass mein Mann zu mir gehalten hat und den Weg immer mit mir mitgegangen ist.

Ich habe auch von anderen Betroffenen gehört, die dieselben Probleme hatten. Deswegen würde ich mir wünschen, dass im Laufe der Behandlung auch dieser Aspekt zumindest angesprochen wird und man dazu etwas lesen kann. So weiß man schon vor der OP, dass das ein Thema werden kann, und ist entlastet, da es anderen genauso geht.

Es gibt auch Ängste: zum Beispiel, was mit dem künstlichen Gelenk passiert, wenn man sich beim Sex heftig bewegt, oder ob bestimmte Stellungen günstig sind oder eher schaden. Mein Tipp ist, sich nicht so viele Sorgen zu machen, dass der klassische Verkehr vielleicht nicht so gut klappt, und eher andere Techniken und Alternativen auszuprobieren, mit denen man sich auch glücklich machen und in Kontakt bleiben kann.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Aktualisiert am 08. Mai 2024

Nächste geplante Aktualisierung: 2027

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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