Skoliose bei Erwachsenen ohne Operation behandeln

Das Foto zeigt eine ältere Frau mit Badekappe im Schwimmbad, die sich am Beckenrand abstützt

Eine Skoliose im Erwachsenenalter wird meist konservativ, also ohne Operation, behandelt. Zu den Behandlungsmöglichkeiten gehören Bewegungstherapien, Übungen zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur, spezielle Formen der und schmerzstillende Medikamente als Tabletten oder Spritzen.

Bei einer Skoliose im Erwachsenenalter verkrümmt und verdreht sich die Wirbelsäule, meist im unteren Rücken (). Dazu kann es kommen, wenn die Bandscheiben altersbedingt spröde und flacher werden (Bandscheiben-Degeneration). Werden die Wirbel dadurch stärker und ungleichmäßig belastet, kann sich die Wirbelsäule verformen. Fachleute sprechen dann von einer degenerativen oder „de novo“-Skoliose. Eine Skoliose im Kindes- und Jugendalter hat andere Ursachen, fällt aber manchmal erst im Erwachsenenalter auf, weil sie vorher keine Beschwerden ausgelöst hat.

Bei manchen Menschen ist die Krümmung nur leicht ausgeprägt und kann sogar unbemerkt bleiben. Bei anderen verformt sich die Wirbelsäule so stark, dass dies auch äußerlich sichtbar wird. Mögliche Beschwerden sind Schmerzen entlang der Wirbelsäule, Muskelverspannungen und Einschränkungen der Beweglichkeit. Die Wirbel können auch auf das Rückenmark drücken oder die Nerven reizen, die an den Wirbelkörpern austreten. Dann können Schmerzen ins Gesäß oder in die Beine ausstrahlen ( oder Ischias-Beschwerden genannt). Weitere nervenbedingte Beschwerden sind Kribbeln oder Taubheitsgefühle in den Beinen oder Füßen. Eine stark verformte Wirbelsäule kann auch die inneren Organe einengen und dadurch zu Beschwerden führen.

Wie eine Skoliose am besten behandelt wird, hängt unter anderem davon ab, welche Beschwerden im Alltag am meisten belasten und ob die Verformung behandelt werden soll, um ein schnelles Fortschreiten zu verhindern. Das Ziel nicht operativer (konservativer) Behandlungen ist, die Beschwerden zu lindern und Einschränkungen im Alltag zu verringern. Begradigen lässt sich die Wirbelsäule durch konservative Behandlungen nicht. Dazu ist eine Operation erforderlich.

Worauf kann ich im Alltag achten?

Grundsätzlich ist es sinnvoll, auch bei Beschwerden so aktiv wie möglich zu bleiben. Bewegung stärkt Muskeln und Knochen und sorgt für einen besseren Halt der Wirbelsäule. Das ist auch wichtig, um weiteren Problemen wie einer Osteoporose vorzubeugen. Außerdem ist Bewegung gut für Herz und Kreislauf, hält insgesamt fit und wirkt sich positiv auf die Stimmung aus. Bei Skoliose werden häufig Wassergymnastik, Schwimmen, oder Radfahren empfohlen. Wer sich unsicher ist, welche Übungen und Sportarten im eigenen Fall geeignet sind, bespricht dies am besten mit einer ärztlichen oder physiotherapeutischen Fachkraft. Wichtig ist, etwas zu finden, das einem Freude macht, damit man motiviert bleibt.

Bei einer Skoliose müssen die Muskeln mehr arbeiten, um das Gleichgewicht zu halten und den Oberkörper aufzurichten. Das kann zur Folge haben, dass der Körper schneller ermüdet. Dann gilt es, auf ein ausgewogenes Verhältnis von Be- und Entlastung zu achten. Bei der Suche nach dem gesunden Mittelweg hilft es manchen Menschen, Aufgaben und Tätigkeiten in kleinere, leichter zu bewältigende Portionen aufzuteilen, Wichtiges vorzuziehen und Unwichtiges auch mal zu vernachlässigen. Dazu gehört auch, Pausen zu machen, wenn man sie benötigt. Um Enttäuschungen zu vermeiden, kann es hilfreich sein, die persönlichen Ziele anzupassen und Aktivitäten vorausschauend zu planen, statt nur auf Schmerzen zu reagieren.

Welche Hilfsmittel gibt es?

Besonders bei starken Einschränkungen oder wenn andere gesundheitliche Probleme hinzukommen, können Hilfsmittel nützlich sein. Wenn es schwierig wird, das Gleichgewicht zu halten, können zum Beispiel ein Gehstock, ein Gehgestell oder ein Rollator Unterstützung bieten. Rollatoren haben in der Regel auch eine Sitzfläche, auf der man sich zwischendurch ausruhen kann. Das kann zum Beispiel hilfreich sein, wenn durch die Skoliose der Wirbelkanal verengt ist und die Beschwerden bei längeren Gehstrecken zunehmen, oder auch bei .

Manchmal werden auch orthopädische Rückenstützen eingesetzt, um die Rückenmuskulatur zu entlasten und Schmerzen zu lindern. Dazu gehören orthopädische Korsette, Rückenorthesen, Rückenstützbandagen und Lendenstützgürtel. Anders als bei Kindern und Jugendlichen werden sie bei Erwachsenen nicht eingesetzt, um die Krümmung zu korrigieren, sondern um Schmerzen zu behandeln und dadurch den Alltag zu erleichtern.

Manche Menschen finden solche Rückenstützen entlastend und hilfreich. Ein möglicher Nachteil ist, dass das regelmäßige Tragen die Muskulatur schwächen und dadurch zu anderen Problemen beitragen könnte. Die Vor- und Nachteile sind aber kaum in Studien untersucht.

Was wird bei einer Physio- oder Ergotherapie gemacht?

Bei einer degenerativen Skoliose wird oft eine Physiotherapie zur Kräftigung der Muskulatur empfohlen. Kräftige Muskeln stabilisieren die Wirbelsäule, verbessern die Körperhaltung und die allgemeine Fitness. Dadurch werden die Gelenke und Bandscheiben entlastet.

Da viele verschiedene Muskeln an der Körperstabilität beteiligt sind und sich die Skoliose auf die Haltung des gesamten Körpers auswirken kann, werden ganz unterschiedliche Muskelgruppen trainiert: die Rücken- und Rumpfmuskulatur, aber auch die Hüft-, Gesäß- und Beinmuskulatur. Auch andere Techniken wie bestimmte Dehn- und Haltungsübungen können Teil der sein. Physiotherapeutinnen und -therapeuten können außerdem zu geeigneten Sportarten beraten. Unterstützend werden manchmal sogenannte passive Behandlungen eingesetzt, wie zum Beispiel manuelle Therapien, TENS-Geräte oder Massagen.

In einer Ergotherapie lernt man, im Alltag leichter mit Einschränkungen zurechtzukommen – zum Beispiel, indem man neue Bewegungsabläufe einübt.

Welche Behandlungen sinnvoll sind, ist individuell und hängt unter anderem von der Stärke der Beschwerden, dem Krümmungsgrad der Wirbelsäule und den gesundheitlichen Voraussetzungen ab. Weil es kaum vergleichende Studien zu den Behandlungen gibt, lässt sich nicht genau sagen, was man von den einzelnen Therapien erwarten kann.

Welche Medikamente gegen die Schmerzen kommen infrage?

Entzündungshemmende Schmerzmittel (NSAR)

Meist werden bei Rückenschmerzen entzündungshemmende Schmerzmittel wie Diclofenac, und Naproxen empfohlen – sogenannte nicht steroidale Antirheumatika (). Die Medikamente können gegen Schmerzen helfen, werden aber am besten ergänzend zu anderen Behandlungen eingesetzt.

In niedriger Dosierung sind entzündungshemmende Schmerzmittel rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Magenbeschwerden wie Bauchschmerzen. Bei häufiger oder längerer Einnahme können die Mittel zu Magengeschwüren oder -blutungen führen. Das Risiko dafür lässt sich senken, indem man zusätzlich Medikamente nimmt, die den Magen schützen. Am besten nimmt man Schmerzmittel nur bei Bedarf und in der geringsten wirksamen Dosierung ein. ist ebenfalls rezeptfrei erhältlich, hilft bei Rückenbeschwerden aber nicht.

Gut zu wissen:

Vor der Einnahme von Schmerzmitteln ist es sinnvoll, sich über Neben- und Wechselwirkungen zu informieren ­– und darüber, wie man die Mittel sicher anwendet.

Selten kommen Medikamente infrage, die nur auf Rezept erhältlich sind. Wenn Gründe wie beispielsweise ein Magengeschwür gegen die Einnahme von Mitteln wie sprechen, kommt manchmal eine Behandlung mit Metamizol infrage. Metamizol lindert Schmerzen und senkt Fieber, gehört aber nicht zu den entzündungshemmenden Medikamenten.

Opioide

Von Opioiden wie Fentanyl, Morphin, Oxycodon und Tramadol wird eher abgeraten. Sie wirken bei Rückenschmerzen meist nicht besser als entzündungshemmende Schmerzmittel wie . Weil sie zu Gewöhnung und körperlicher Abhängigkeit führen können, sollten sie höchstens kurzzeitig, in möglichst geringer Dosierung und nur unter sorgfältiger ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden. Mögliche Nebenwirkungen von Opioiden reichen von Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung bis hin zu Schwindel, Atemnot und Blutdruckschwankungen.

Muskelrelaxantien

Auch von Medikamenten zur Muskelentspannung (Muskelrelaxantien) wird abgeraten. Sie können Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden auslösen und zu Benommenheit, Schwindel und erhöhter Sturzgefahr führen. Auch die Fahrtüchtigkeit kann beeinträchtigt sein. Muskelrelaxantien sollte man nicht länger als zwei Wochen einnehmen.

Antiepileptika

Antiepileptika wie Pregabalin werden normalerweise bei Epilepsie eingesetzt, sollen aber auch Nervenschmerzen (Neuralgien) lindern. Nach bisherigem Wissen helfen sie bei Ischias-Beschwerden nicht. Sie führen aber häufig zu Nebenwirkungen wie Benommenheit und Erschöpfung. Auch diese Mittel können die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Zudem gibt es Hinweise, dass Pregabalin abhängig machen kann – insbesondere, wenn es zusammen mit anderen Mittel wie Opioiden oder bei einer bestehenden Sucht eingesetzt wird.

Antidepressiva

werden normalerweise zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Einige dieser Mittel sind aber auch zur Behandlung chronischer Schmerzen zugelassen. Bei Rückenschmerzen ist die Wirksamkeit von jedoch nicht gut untersucht.

Helfen wirbelsäulennahe Spritzen?

Zur kurzfristigen Schmerzlinderung können örtliche Betäubungsmittel und / oder in die Nähe gereizter Nervenwurzeln oder in den gespritzt werden. Wie wirksam solche Spritzen bei einer Skoliose sind, ist nicht gut untersucht. Typischerweise lindern sie Beschwerden aber nur begrenzt und für wenige Wochen.

Kortisonspritzen können die Nerven vorübergehend reizen und zu Nebenwirkungen führen wie Kribbeln oder Jucken, Übelkeit, Fieber, Schwindel oder plötzlichen Hitzewallungen im Gesicht. Sehr selten kommt es durch Nachblutungen, Infektionen oder Nervenverletzungen zu ernsten Komplikationen wie bleibenden Lähmungen. Es gibt auch Hinweise darauf, dass wiederholte Spritzen mit möglicherweise die Knochen schwächen und dadurch Wirbelbrüche etwas wahrscheinlicher machen könnten.

Was kann ich bei starken anhaltenden Schmerzen tun?

Wenn die Schmerzen chronisch und sehr belastend werden, kommt eine multimodale Schmerztherapie infrage. Dabei wird man von Fachleuten aus Medizin, und Psychotherapie betreut. Die Behandlung kombiniert Bewegung, Schulungen, Entspannungstechniken und psychotherapeutische Behandlungsansätze. Letztere können helfen, im Alltag besser mit chronischen Schmerzen umzugehen. Auch ein Behandlungsplan mit Medikamenten kann Teil der multimodalen Schmerztherapie sein, wobei das Ziel ist, mit möglichst wenig Medikamenten auszukommen.

Ein wichtiger Teil ist, die Selbstwirksamkeit zu stärken. Das bedeutet: wieder Vertrauen in den eigenen Körper zu gewinnen und zu erkennen, dass man selbst etwas gegen die Schmerzen tun kann. Außerdem entwickelt man gemeinsam mit den Fachleuten einen realistischen Plan, der hilft, den Weg zurück in einen aktiven Alltag zu finden.

Wann kommt eine Operation infrage?

Wenn die Beschwerden stark sind und den Alltag sehr belasten, nicht operative Behandlungen nicht ausreichend helfen oder wenn Nervenstörungen auftreten, kann eine Operation infrage kommen.

Die Entscheidung für oder gegen eine Operation kann man in Ruhe treffen. Zur Abwägung der Vor- und Nachteile kann eine Entscheidungshilfe genutzt werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich eine zweite ärztliche Meinung einer Spezialistin oder eines Spezialisten einzuholen.

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Erstellt am 20. November 2024

Nächste geplante Aktualisierung: 2027

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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