Skoliose bei Erwachsenen: Kommt eine Operation infrage?

Das Foto zeigt einen Patienten im Gespräch mit einer Ärztin

Bei einer ausgeprägten Skoliose mit starken Beschwerden kann die gekrümmte Wirbelsäule operativ begradigt und stabilisiert werden. Meist ist dafür ein großer Eingriff notwendig, der mit Risiken einhergeht. Deshalb lohnt es sich, die Vor- und Nachteile gut abzuwägen.

Bei einer Skoliose verkrümmt und verdreht sich die Wirbelsäule. Oft ist dies bei Erwachsenen die Folge altersbedingter Veränderungen an den Bandscheiben und Wirbeln. Die Krümmung kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein und wird mit dem sogenannten Cobb-Winkel bestimmt.

Mögliche Folgen einer Skoliose sind Schmerzen entlang der Wirbelsäule und Gleichgewichtsstörungen beim Stehen oder Gehen. Drücken Teile eines Wirbels oder eine Bandscheibe auf das Rückenmark oder auf Nerven, kann es auch zu Schmerzen bis in die Beine oder das Gesäß, Taubheit und Kribbeln kommen.

Eine Skoliose wird in der Regel konservativ, also ohne OP behandelt. Physiotherapie und Schmerzmittel können die stützende Muskulatur stärken und Schmerzen lindern. Die Krümmung lässt sich dadurch aber nicht beseitigen.

Bei einer sogenannten Versteifungsoperation hingegen wird die Wirbelsäule begradigt und stabilisiert. Wenn die Wirbelsäule nur leicht gekrümmt ist und einzelne Nerven beeinträchtigt sind, kommt manchmal auch eine sogenannte Dekompression infrage. Dabei werden am Wirbelkörper Teile von Knochen und Bändern entfernt, um Druck von eingeengten Nerven zu nehmen. Versteifung und Dekompression können auch miteinander kombiniert werden. Die Eingriffe sind mit verschiedenen Risiken wie Nerven- und Knochenverletzungen verbunden.

Wann kommt eine Operation infrage?

Eine OP kommt infrage, wenn alle folgenden Punkte zutreffen:

  • Die Beschwerden schränken Alltag, Freizeit und Beruf erheblich ein – zum Beispiel wegen der veränderten Körperhaltung, Schmerzen, Nervenstörungen, einer Beeinträchtigung innerer Organe oder Bewegungseinschränkungen.
  • Konservative Behandlungen haben keine ausreichende Linderung gebracht.
  • Es ist zu erwarten, dass der Eingriff die Beschwerden lindern kann.

Das Ziel einer Operation kann auch sein, das Fortschreiten einer Skoliose aufzuhalten. Ein früherer Eingriff kann den Vorteil haben, dass nicht so viele Wirbel versteift werden müssen, weil die Krümmung noch nicht so ausgeprägt ist. Zudem können die Risiken einer Operation über die Jahre zunehmen, weil man im Alter oft andere oder schwerere Erkrankungen entwickelt, wie zum Beispiel Herzprobleme oder Osteoporose. Eine feste Altersgrenze oder klare Kriterien für den besten Zeitpunkt einer Operation gibt es aber nicht. Und es gibt auch nur wenige Erkrankungen, die eine Operation ganz ausschließen.

Wann ist eine Operation nötig?

Ein sehr seltener Notfall, der eine Operation erfordert, ist das sogenannte Kauda-Syndrom. Es entsteht, wenn das Nervenbündel am Ende des Rückenmarks abgedrückt wird. Anzeichen dafür sind Lähmungserscheinungen oder Schwäche in beiden Beinen, ein Taubheitsgefühl im Dammbereich oder Probleme, das Wasser oder den Stuhlgang zu halten. Bei solchen Beschwerden sollte sofort ärztlicher Rat eingeholt werden. Wird das Rückenmark nicht schnell entlastet, drohen bleibende Schäden.

Was passiert bei einer Versteifungsoperation?

Bei einer Versteifung wird die Wirbelsäule so weit wie möglich aufgerichtet. Dazu werden sowohl die Krümmung als auch die Verdrehung korrigiert. Um dies zu erreichen, werden mehrere Wirbel mit Schrauben und Stäben verbunden. Der Eingriff wird auch Fusion oder Spondylodese genannt.

Die anatomische Grafik zeigt das Vorgehen bei einer Wirbelkörperversteifung mit Detailansicht von Wirbelkörper, Bandscheibe, Ersatzmaterial sowie Schrauben und Metallstab.

Damit die Wirbel nach der OP besser zusammenwachsen, werden entlang der Wirbelkörper kleine Knochenstücke (Knochentransplantate) platziert. Sie können aus dem eigenen Beckenkamm entnommen oder als Knochenspende von einer Knochenbank bezogen werden. Ist die Bandscheibe beschädigt, wird sie entfernt und der Raum zwischen den Wirbeln mit Implantaten ausgefüllt. Oft müssen vor der Operation Teile von den Wirbelgelenken, Wirbeln oder Wirbelkörpern entfernt werden, um die Wirbelsäule begradigen zu können (Osteotomie).

Wenn eine Operation in Betracht gezogen wird, ist die Skoliose oft so ausgeprägt, dass 5 bis 10 oder sogar noch mehr Wirbel verbunden werden müssen. Es handelt sich dann um eine große Operation, die mehrere Stunden dauert. Vor dem Eingriff werden genaue Bilder und Messungen von der Wirbelsäule angefertigt, um die Operation zu planen und ein möglichst gutes Zusammenspiel zwischen Wirbelsäule, Kopf, Becken und den Knien zu gewährleisten.

Wie gut hilft eine Versteifungsoperation?

Bislang hat nur eine Behandlungsstudie untersucht, wie gut eine Operation die Beschwerden bei Erwachsenen mit starker Skoliose lindern kann. Darin wurde die Versteifungs-OP mit einer konservativen Behandlung aus und Schmerzmedikamenten verglichen.

Nach etwa einem Jahr hatten sich unter anderem die Schmerzen, die Auswirkungen der Erkrankung auf den Alltag und das psychische Wohlbefinden nach der Operation etwas stärker verbessert als nach konservativer Behandlung. Weil es sich nur um eine einzelne kleine Studie handelt, lässt sich jedoch nicht abschließend sagen, ob eine OP besser hilft als eine .

Ob und wie deutlich sich die Beschwerden nach der Operation bessern, ist individuell und lässt sich nicht vorhersagen. Auch nach dem Eingriff können noch Einschränkungen bestehen.

Welche Risiken hat einer Versteifungsoperation?

Die Verschraubung der Wirbelkörper kann zu verschiedenen Komplikationen führen, wie zum Beispiel Schmerzen und Nervenschäden, die zu einer führen.

Wenn die Wirbel nicht richtig zusammenwachsen, kann eine Nachoperation erforderlich werden. Es kann auch zu Problemen am Übergang vom versteiften zum nicht versteiften Teil der Wirbelsäule kommen. Beispielsweise können die benachbarten Wirbel brechen oder die Verschraubung kann sich lösen. Mögliche Folgen sind Schmerzen, Nervenstörungen und Haltungsschäden, die einen weiteren Eingriff erfordern.

In einer Studie, in der 170 ältere Menschen mit Skoliose operiert wurden,

  • entwickelten 10 von 100 Personen Nervenschäden, die zu einer in den Beinen führten,
  • mussten 14 von 100 Personen innerhalb von zwei Jahren nachoperiert werden, einige sogar zweimal.

Eine komplette Querschnittslähmung ist sehr selten, da moderne Überwachungsgeräte während der OP bei drohenden Nervenverletzungen warnen.

Wenn man sich für eine Operation entscheidet, ist es wichtig, sich eine Klinik zu suchen, die auf solche Eingriffe spezialisiert ist.

Welche allgemeinen OP-Risiken gibt es?

Eine Versteifungsoperation geht – wie jede OP – mit allgemeinen Operationsrisiken einher. Dazu gehören zum Beispiel Infektionen, Wundheilungsstörungen und Kreislaufprobleme. In einer großen Auswertung von Operationen, bei denen drei oder mehr Wirbel versteift wurden, zeigten sich folgende Komplikationshäufigkeiten:

Diese Angaben sind Durchschnittswerte. Das Risiko für Komplikationen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören das Alter, der allgemeine Gesundheitszustand und die Komplexität des Eingriffs – zum Beispiel, wie viele Wirbel versteift werden.

Gut zu wissen:

Allgemeine Informationen zur Vorbereitung, Nachbehandlung und den Risiken einer Operation finden sich im Thema Operationen.

Was wird bei einer Dekompression („Entlastung“) gemacht?

Bei der Dekompression werden Knochenteile und Bänder im Bereich eines einzelnen Wirbels entfernt, um Druck von den Nerven zu nehmen, die die Beschwerden verursachen. Sie kommt infrage, wenn alle diese Punkte zutreffen:

  • Es bestehen nur Nervenbeschwerden, zum Beispiel ins Bein ausstrahlende Schmerzen.
  • Die Wirbelsäule ist stabil.
  • Der Cobb-Winkel liegt unter 30 Grad.

Bei einer stärkeren Krümmung halten Fachleute eine Dekompression nicht für sinnvoll, weil dabei Knochen entfernt wird und die Wirbelsäule instabiler werden kann. Dadurch könnte das Risiko steigen, dass die Krümmung weiter zunimmt.

Eine Dekompression ist ein kleinerer Eingriff und hat weniger Risiken als eine Versteifung, kann aber auch zu Komplikationen führen: Während der Operation können die Rückenmarkshäute verletzt werden, was weitere Probleme oder Beschwerden nach sich ziehen kann. Andere mögliche Komplikationen sind Infektionen, Wundheilungsprobleme und ein . Wenn es während des Eingriffs zu einem starken Blutverlust kommt, kann eine Bluttransfusion erforderlich werden.

Die anatomische Grafik zeigt die Dekompression eines Wirbels. Links ist der Ausgangszustand mit einer Verengung des Spinalkanals zu sehen, die Druck auf den Spinalnerv ausübt. Rechts ist derselbe Wirbel nach erfolgter Dekompression zu sehen, bei der ein Knochenstück entfernt wurde, um Druck von den Nerven zu nehmen.

Was kann bei der Entscheidung helfen?

Vor der Entscheidung für eine Operation ist es wichtig, das Für und Wider gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt sorgfältig abzuwägen. Dabei spielt auch die persönliche Situation eine wichtige Rolle, etwa der sonstige Gesundheitszustand oder das Alter, das berufliche und private Umfeld, aber auch die eigenen Wünsche und Erwartungen an die Operation.

Erkrankungen der Wirbelsäule: Welche Behandlungsmöglichkeiten habe ich?

Vor der Entscheidung für oder gegen eine oder mehrere Behandlungen ist es sinnvoll, sich gut über die jeweiligen Vor- und Nachteile zu informieren. Diese Entscheidungshilfe unterstützt dabei.

Ärztinnen und Ärzte, die bei einer Skoliose im Erwachsenenalter eine Operation empfehlen, müssen ihre Patientinnen und Patienten auf das Recht auf eine zweite ärztliche Meinung hinweisen. Das bedeutet: Man hat die Möglichkeit, die Entscheidung für oder gegen den Eingriff noch einmal kostenlos mit einer anderen Spezialistin oder einem anderen Spezialisten zu besprechen.

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IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.

Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.

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Erstellt am 20. November 2024

Nächste geplante Aktualisierung: 2027

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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