Menschen mit Autismus unterstützen

Foto von zwei Jugendlichen in einer Beratungssituation

Menschen im Autismus-Spektrum haben besondere Bedürfnisse: Sie kommunizieren zum Beispiel anders oder brauchen vielleicht mehr Rückzugsmöglichkeiten. Die Menschen in ihrem Umfeld können sich darauf einstellen und sie so im Alltag unterstützen.

Für Menschen mit Autismus ist besonders wichtig, dass

  • andere auf ihre Art zu kommunizieren Rücksicht nehmen und ihnen helfen, sich auszudrücken,
  • ihnen eine strukturierte Umgebung Routine und Sicherheit gibt,
  • ihre Wünsche nach Rückzug und Distanz respektiert und erfüllt werden,
  • überfordernde Reize vermieden werden,
  • ihre Stärken und Interessen erkannt und gefördert werden und
  • andere ihnen helfen, wenn sie Unterstützung brauchen – sie aber so selbstständig wie möglich sein können.

Je nach Alter und Entwicklungsstand stellen sich andere Fragen im Umgang mit Autismus. Auch das Umfeld bietet unterschiedliche Herausforderungen – wie das Elternhaus, die Kita, die Schule, Freizeitaktivitäten oder das Berufsleben.

Besonders wichtig ist die Begleitung in Übergangsphasen – zum Beispiel in die Schule, von der Grundschule in die weiterführende Schule und dann weiter ins Berufsleben. Hier benötigen Menschen mit Autismus oft viel Unterstützung.

Was hilft in der Kita?

Erzieherinnen und Erzieher können die Frühförderung eines Kindes mit Autismus unterstützen und sich auf seine Besonderheiten einstellen. Dazu gehört zum Beispiel:

  • Situationen zu erkennen und zu vermeiden, die das Kind überfordern oder zu sehr reizen.
  • klar und einfach zu formulieren, was das Kind tun soll – zum Beispiel beim Spielen und Basteln kleinschrittige und genaue Handlungsanweisungen zu geben.
  • Kommunikation durch visuelle Hilfen zu unterstützen (zum Beispiel Bilder und Tafeln).
  • Rückzugsmöglichkeiten in eine reizarme Umgebung zu schaffen.

Wichtig sind der Austausch mit der Einrichtung, die eine Autismus-Frühförderung anbietet, sowie regelmäßige Gespräche mit den Eltern.

Was ist in der Schule zu beachten?

Kinder mit starken Einschränkungen können spezielle Schulformen besuchen, wie integrative Schulen und Förderschulen. Viele Kinder mit Autismus gehen auf Regelschulen. Dort benötigen sie bestimmte Rahmenbedingungen und Strukturen. Wie gut diese vor Ort sind, ist sehr unterschiedlich.

Diese Hilfen gibt es:

  • Unterstützung durch eine Schulbegleitung: Eine Person hilft der Schülerin oder dem Schüler zum Beispiel im Unterricht, beim Lernen, in den Pausen oder auf dem Schulweg. Eine Schulbegleitung wird beim Jugend- oder Sozialamt beantragt, das dann auch die Kosten übernimmt.
  • Nachteilsausgleich: Hier wird schriftlich festgehalten, welche Unterstützung die Schülerin oder der Schüler im Schulalltag braucht. Der Nachteilsausgleich wird bei der Schule beantragt. Was genau er beinhaltet, stimmt die Schule mit den Eltern und dem Kind ab.

Der Nachteilsausgleich kann unter anderem umfassen:

  • reizarme Lernumgebung (zum Beispiel durch Gehörschutz)
  • Rückzugsmöglichkeiten (zum Beispiel die Pause im Klassenraum oder in der Bibliothek verbringen zu dürfen)
  • längere Bearbeitungszeit für Hausaufgaben und Prüfungen
  • verständliche Arbeitsanweisungen und Arbeitsaufträge
  • klare Absprachen und vorhersehbare Abläufe
  • feste Ansprechpersonen
  • spezielle Unterrichtsinhalte (zum Beispiel Kommunikation, Umgang mit Veränderungen)

Bei Bedarf können zur Festlegung des Nachteilsausgleichs auch Fachleute für Autismus hinzugezogen werden – am besten diejenigen, die das Kind behandeln. Zudem gibt es in den Schulämtern vieler Bundesländer spezielle Beratungslehrerinnen und -lehrer, die die Schule anfordern kann. Diese kommen dann direkt in den Unterricht, um die Lehrerinnen und Lehrer zu einem Kind zu beraten.

Wer hilft bei der Berufswahl und im Berufsleben?

Etwa die Hälfte der Erwachsenen mit Autismus ist berufstätig – teils in regulären Berufen, teils in speziellen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Einige studieren und üben hochqualifizierte Berufe aus.

Es gibt folgende Hilfsangebote, um in der Arbeitswelt zurechtzukommen:

  • Berufsberatung: Diese gibt es kostenlos bei der Agentur für Arbeit. Darüber hinaus bieten verschiedene Personen und Institutionen Berufsberatung und Coaching an – dann aber meist kostenpflichtig.
  • Berufsbildungswerk: Hier können Menschen mit einer Beeinträchtigung eine Ausbildung machen, die sie für den regulären Arbeitsmarkt qualifiziert.
  • Berufsförderungswerk: Hier können Menschen mit einer Beeinträchtigung eine Fortbildung oder Umschulung machen.
  • Integrationsfachdienste: Das sind Beratungsstellen, die Menschen mit einer Beeinträchtigung helfen, einen Beruf zu erlernen und zu finden. Sie unterstützen auch Menschen, die bereits im Berufsleben stehen – zum Beispiel dabei, am Arbeitsplatz ihre Tätigkeiten zu organisieren und Kolleginnen und Kollegen über Autismus zu informieren. Integrationsfachdienste unterstützen zudem in Krisen und leisten psychosoziale Unterstützung.
  • Nachteilsausgleiche (Gleichstellungsantrag): Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung haben Anspruch auf bestimmte Hilfen bei der Arbeit. Dazu gehören zum Beispiel die Freistellung von Überstunden, Zusatzurlaub, das Recht auf Teilzeitarbeit oder steuerliche Vergünstigungen.
  • Jobcoaching: Eine Fachkraft begleitet Menschen mit Autismus über einige Wochen oder Monate bei der Arbeit und unterstützt sie. Sie gibt beispielsweise Tipps, wie berufliche Anforderungen bewältigt werden können, und hilft dabei, Probleme mit dem Job zu lösen. Ein Jobcoaching wird meist von den Integrationsämtern bezahlt.

Die Schwerbehindertenvertretung ist eine weitere Anlaufstelle in vielen Unternehmen. Sie vertritt die Rechte von Menschen mit einer Schwerbehinderung im Arbeitsleben.

Unterstützung und Beratung bietet zudem die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB). Auch Selbsthilfegruppen und Regionalverbände können unterstützen.

Hilfsmittel zur Teilhabe am Arbeitsleben (zum Beispiel Kommunikationshilfen) bezahlen unter anderem die gesetzliche Rentenversicherung und die Agentur für Arbeit. Integrationsämter fördern begleitende Hilfen wie Jobcoachings und beraten zu verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten.

Wie kann ich Menschen mit Autismus im Beruf unterstützen?

Wie gut Menschen mit Autismus im Arbeitsleben zurechtkommen, hängt auch davon ab, wie gut ihr Arbeitgeber und ihre Kolleginnen und Kollegen sie unterstützen. Diese Maßnahmen werden empfohlen:

  • ein übersichtlicher, gut strukturierter Arbeitsplatz
  • Arbeitsabläufe gemeinsam planen und umsetzen
  • Routinen etablieren und Arbeitsabläufe wiederholen
  • Abweichungen von Routinen rechtzeitig ankündigen
  • feste Ansprechpersonen und Betreuung durch erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
  • klare, möglichst eindeutige Kommunikation
  • Kommunikationshilfen bereitstellen (wie Tafeln, Bildkarten oder Computeranwendungen)
  • flexible Arbeitszeitmodelle
  • Telearbeit ermöglichen
  • eine Umgebung ohne belastende Reize schaffen, wie störende Geräusche oder viele Menschen auf engem Raum
  • Hilfsmittel zur Reizreduktion bereitstellen (wie Kopfhörer, Sichtschutz, Schallschutz)
  • Rückzugsmöglichkeiten erlauben (wie ein ruhiger Raum oder ein Einzelbüro)

Neben der alltäglichen Arbeit können auch soziale Veranstaltungen wie Betriebsausflüge oder Feiern herausfordernd für Menschen mit Autismus sein. Manche nehmen gerne daran teil, andere nicht. Die Teilnahme sollte daher immer freiwillig sein.

Ob es sinnvoll ist, am Arbeitsplatz über den Autismus zu sprechen, muss jeder Mensch mit Autismus für sich entscheiden. Die Erfahrung zeigt aber, dass es meist den Arbeitsalltag erleichtert, offen damit umzugehen. Die meisten Menschen haben Verständnis und sind bereit, sich darauf einzustellen.

Welche Berufe kommen für Menschen mit Autismus infrage?

Das ist sehr unterschiedlich. Manche Menschen sind durch den Autismus und Begleiterkrankungen so eingeschränkt, dass sie keinen Beruf ausüben können. Andere arbeiten bei speziellen Arbeitgebern für Menschen mit Behinderung, wie Inklusionsfirmen und Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Wieder andere arbeiten in regulären Berufen.

Menschen mit Autismus bevorzugen oft eher technische und naturwissenschaftliche Berufe, aber längst nicht immer. Einige arbeiten auch in helfenden oder kommunikativen Berufen. Welche Jobs Menschen mit Autismus ergreifen können, hängt letzten Endes von ihren persönlichen Fähigkeiten, Stärken und Interesse ab – wie bei allen anderen Menschen auch.

Wie gehe ich im Alltag mit Menschen mit Autismus um?

Es gibt einige Regeln, die dabei helfen. Natürlich kommt es auch darauf an, in welcher Beziehung man zueinander steht. Wichtig ist,

  • freundlich und klar zu kommunizieren – möglichst frei von Mehrdeutigkeiten und Ironie.
  • verbindliche Absprachen zu treffen, die Sicherheit und Struktur geben.
  • Rückzugswünsche zu respektieren und Möglichkeiten dafür zu schaffen.
  • Stärken, Wünsche und Bedürfnisse zu erfragen oder herauszufinden.
  • offen zu sein und das Gegenüber sozial einzubinden – aber ohne Zwang. Denn manche Menschen mit Autismus sind sehr gesellig, andere lieber allein.
  • Körperkontakt vorher anzukündigen oder zu fragen, ob dieser gewünscht ist. Denn überraschender Körperkontakt ist vielen unangenehm.
  • zu schauen, was die Person stresst, und dies zu vermeiden.

Menschen mit Autismus zeigen oft nicht nach außen, wenn sie überfordert sind. Unwohlsein ist bei ihnen daher weniger offensichtlich, kann aber sehr plötzlich und umso heftiger auftreten.

Um ihren Alltag zu bewältigen, müssen Menschen im Autismus-Spektrum viel kognitive Leistung aufbringen: Was anderen intuitiv klar ist, müssen sie oft logisch entschlüsseln. Das ist geistig anstrengend. Deshalb brauchen sie mehr Erholung von sozialen Situationen als Menschen ohne Autismus.

Wichtig ist,

Menschen nicht auf ihren Autismus zu reduzieren, sondern offen dafür zu sein, ihre Persönlichkeit in allen Facetten kennenzulernen.

Autismus Deutschland, Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung (BAG UB). Leitfaden: Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Autismus. 2023.

Bundesverband Autismus Deutschland. Elternratgeber: Autismus-Spektrum. 2023.

Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP), Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter, Teil 2: Therapie (S3-Leitlinie). AWMF-Registernr.: 028-047. 2021.

Knaak H, Traub P. Klare Sprache statt Klischees. Wie sich die berufliche Teilhabe von Menschen mit Autismus gestalten lässt (REHADAT Wissensreihe). 2019.

IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.

Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.

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Erstellt am 19. Juni 2024

Nächste geplante Aktualisierung: 2027

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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