Meine Ernährung umzustellen, war schwer – aber erfolgreich

Foto von Paar beim Kochen

Theo, 60 Jahre

„Die Entwicklung zum starken Übergewicht von über 30 Kilo war ein schleichender Prozess über Jahrzehnte – immer wieder unterbrochen von Diäten und kurzfristigen Erfolgen. Ein klassischer Jo-Jo-Effekt.“

Als Jugendlicher hatte ich zeitweise Übergewicht, allerdings nie so stark, dass es ein richtiges Problem war. Als bei mir damals eine rheumatische Erkrankung festgestellt wurde, stand im Arztbericht, ich sei „adipös“. Ich war erstaunt, weil ich mich selbst so nicht bezeichnet hätte. Ich war zwar nicht extrem sportlich, spielte aber regelmäßig Fußball und fühlte mich fit.

Durch das Rheuma, das vor allem die Wirbelgelenke betraf, nahm ich allerdings noch mehr zu. Einerseits durch die Medikamente, andererseits, weil ich mich nicht mehr so viel bewegte wie vorher. Glücklicherweise verlor ich die Kilos aber einige Zeit später wieder.

In der Familie war mein Vater genau wie ich ziemlich stämmig und trotz viel Bewegung übergewichtig.

Die Kilos kamen über mehrere Jahre

Das Gewicht ging so richtig mit Ende dreißig, Anfang vierzig nach oben. Ich hatte eine große Operation hinter mir, konnte mich nicht bewegen und wog immer mehr. Einen deutlichen Anstieg gab es, als ich aufhörte zu rauchen. Innerhalb eines Jahres nahm ich so viel zu, dass ich nicht mehr leicht, sondern stark übergewichtig war.

Dazu kam, dass ich mich sehr ungesund ernährte, abends sehr spät und sehr viel aß und zwischendurch immer mal wieder naschte.

Trotz Übergewicht war ich sportlich

Das Übergewicht belastete mich nicht richtig, ich war ja weiter aktiv. Ich unternahm mit meinen Freunden Fahrrad-Tagestouren von 120 Kilometern – die Berge rauf und runter. Meine Freunde scherzten, dass sie gar nicht mehr mitkommen würden, wenn ich kein Übergewicht hätte und nicht rauchen würde. Meine Kondition war also immer gut.

Sozial wurde ich nicht ausgegrenzt, aber es gab schon immer wieder mal Sticheleien und Bemerkungen. Was mich störte, war, dass ich meine Jeans irgendwann im Laden für Übergrößen kaufen musste, weil die Hosen in normalen Läden zu knapp waren.

Schnarchen, Atemaussetzer, Bluthochdruck

Ich achtete nicht so sehr auf mein Gewicht, weil ich gesundheitlich mit ganz anderen Dingen beschäftigt war: Zusätzlich zur Wirbelsäulenerkrankung hatte ich schon in jungen Jahren Probleme mit einer Hüftgelenksarthrose.

Außerdem wurde eine Lungenerkrankung abgeklärt und ich hatte Schlafprobleme durch Schnarchen und Atemaussetzer. Dass die Atemaussetzer mit dem Übergewicht zu tun haben konnten, war mir damals nicht klar.

Irgendwann bekam ich auch einen zu hohen Blutdruck und zeitweise waren die Cholesterinwerte im Blut zu hoch.

Der Erfolg von Diäten hielt nie lange an

In den vielen Rehas, die ich alle zwei Jahre wegen der Wirbelsäulenerkrankung und der Hüftarthrose machte, ließ ich mich auf 1000 Kilokalorien pro Tag setzen, um abzunehmen. Ich nahm auch immer 6 bis 8 Kilo ab. Allerdings war das nicht nachhaltig: Wieder zu Hause im Alltag ging das Gewicht allmählich wieder hoch.

Die Entwicklung zum starken Übergewicht von über 30 Kilo war ein schleichender Prozess über Jahrzehnte – immer wieder unterbrochen von Diäten und kurzfristigen Erfolgen. Ein klassischer Jo-Jo-Effekt.

Ärzte rieten mir zu einem Ernährungsprogramm

Der Auslöser, ernsthaft abzunehmen, war vor zwei Jahren ein Gespräch mit meinem Lungenarzt, der mich wegen der und Atemaussetzer behandelte. Er riet mir zu einem Ernährungsprogramm, das in seiner Praxis angeboten und von der Krankenkasse unterstützt und finanziert wurde.

Auch meine Hüftgelenke waren durch die zusätzlichen Kilos belastet. Die schon bestehende Arthrose sollte nicht schneller voranschreiten als nötig. Deswegen empfahlen mir auch die Ärzte in der Orthopädie dringend, abzunehmen.

Intervallfasten und abends keine Kohlenhydrate

Im Rahmen des Programms wurde mir eine Ernährungsberaterin als „Abnehm-Coach“ zugewiesen, die mich in Einzelgesprächen und mit regelmäßigen Nachrichten und E-Mails unterstützte.

Ich wendete vor allem das Prinzip des Intervallfastens an: tagsüber nur während 8 Stunden essen und ab dem frühen Abend für 16 Stunden bis zum nächsten Morgen nichts mehr.

Auch die Verteilung der Mahlzeiten über den Tag war anders: Morgens konnte ich sehr viel essen, gegen Abend sollte es immer weniger werden und vor allem keine Kohlenhydrate enthalten.

Frisch kochen, keine Fertiggerichte und genug Eiweiß

Bei den Lebensmitteln gab es ein paar Tipps, welche Nahrungsmittel ich bevorzugen und welche ich meiden sollte. Was vor allem wichtig war: genug Eiweiß zu essen, um nicht beim Abnehmen an Muskelmasse zu verlieren.

Optimal waren frische Zutaten und selbst gekochte Mahlzeiten, dafür sollte ich keine Fertigprodukte essen. In eine Mahlzeit sollte ich grundsätzlich viel Gemüse und immer einen kleinen Salat vor der Hauptmahlzeit einbauen, um schon leicht gesättigt zu sein.

Die Umstellung war schwer für mich, weil ich vorher nie viel selbst gekocht hatte. Ich holte mir deswegen auswärts frisch gekochte Mahlzeiten. Zumindest fing ich an, selbst Salat zuzubereiten und alles dafür selbst zu schnippeln. Statt tierischer Fette wie Butter oder Speck verwendete ich hochwertige pflanzliche Öle zum Kochen und für Salate.

Auch Getränke waren ein Thema: Kalorienhaltige Getränke wie Limonaden, Milch und Fruchtsäfte sollte ich reduzieren und durch Wasser, dünne Schorlen und Tees ersetzen. Außerdem erhielt ich den Tipp, möglichst wenig Alkohol zu trinken und vor allem bei Bier aufzupassen. Ich habe mir trotzdem ab und zu ein Glas Wein gegönnt, das wollte ich mir nicht versagen.

Abends auf Pizza oder Pasta zu verzichten, war hart

Für mich war es eine harte Umstellung. Vor allem, dass ich abends nicht mehr so viel und nicht so spät essen konnte – keine Kartoffeln, keine Pasta, keine Pizza. Das war schwer.

Fürs Sozialleben war es auch nicht günstig, weil ich abends selten mit jemandem essen gehen konnte. Wenn ich mit Freunden unterwegs war, bestellte ich höchstens einen Salat oder trank nur etwas und aß vorher zu Hause. Das brauchte schon viel Selbstdisziplin. An Feiertagen oder Geburtstagen habe ich aber bewusst eine Ausnahme gemacht.

Als Ausgleich für die abendliche Disziplin frühstückte ich dafür morgens kräftig und hielt mich nicht zurück. Das hat mich bei der Stange gehalten.

Die Begleitung per App war auch im Urlaub erfolgreich

Zum Ernährungscoaching gehörte auch eine App, über die ich Fotos meiner Mahlzeiten schickte. Die Beraterin wertete sie aus und gab mir über die App Feedback und Tipps. Das war sehr hilfreich: Sie lobte mich oft und wies mich manchmal zum Beispiel darauf hin, dass ich mehr Gemüse essen sollte.

Das klappte sogar im Urlaub sehr gut. Da ich keine eigene Küche hatte, musste ich auswärts essen gehen. Ich bekam von ihr Tipps, welche Gerichte im Restaurant besser geeignet zum Abnehmen waren als andere.

Nur meine Essenszeiten konnte ich nicht einhalten: Ich war in Südfrankreich und in Barcelona – vor 7, 8 Uhr abends macht im Süden keine Restaurantküche auf. Genauso wie morgens im Hotel: Ich musste früher frühstücken, weil sonst das Buffet abgeräumt wurde. Trotzdem nahm ich im Urlaub weiter ab.

Das mit dem Fotografieren war zwar praktisch, es war mir aber auch etwas peinlich, weil ich nicht wie jemand wirken wollte, der ständig sein Essen fotografiert und auf Social Media postet. Aber ich hatte ja einen anderen Grund.

Das Ernährungscoaching ging über fünf Monate. Danach konnte ich die App weiterhin nutzen: Nahrungsprotokoll, Sport und Gewicht eintragen, um alles im Blick zu behalten. Das machte ich noch vier Jahre weiter, um mich zu motivieren und am Ball zu bleiben.

Ich habe 30 Kilo in 1,5 Jahren abgenommen

Mit dem Programm schaffte ich es, in 1,5 Jahren fast 30 Kilo abzunehmen. In meinen „besten“ Zeiten wog ich 112 Kilo mit einem von 36. Motivierend war, dass ich gleich in den ersten 4 Wochen relativ schnell 10 Kilo abnahm, nach 4 Monaten waren es 15 Kilo – danach ging es zwar langsamer, aber kontinuierlich weiter runter.

Genauso bestärkend waren die vielen positiven Rückmeldungen. Ganz viele Leute sprachen mich an und wollten wissen, wie ich es geschafft hätte. Auch dass ich immer wieder neue Kleider kaufen musste, hat mich sehr angespornt.

Ich fühlte mich nicht allein beim Abnehmen

Der entscheidende Erfolg kam durch die Ernährungsumstellung und durch zwei Dinge: abends so früh wie möglich und keine Kohlenhydrate essen. Das hat für mich wirklich den Unterschied gemacht. Bewegung und Sport waren zwar wichtig und gesund, aber nicht der entscheidende Regler.

Genauso wichtig war die Begleitung: Neben vielen Tipps war ich einfach nicht allein und hatte über die App immer Feedback und auch Kontrolle durch die Profis.

Familie und Freunde können zusätzlich unterstützen, indem sie bei der Ernährungsumstellung mitmachen und keinen Druck aufbauen, dass es schnell gehen muss.

Das Gewicht zu halten, ist eine Kunst

Für den dauerhaften Erfolg versuchte ich, die Ernährungsprinzipien beizubehalten, nur nicht so strikt. Zum Beispiel aß ich wieder 1- bis 2-mal in der Woche abends Kohlenhydrate, aber nicht häufiger. Und auch mal wieder später zu Abend essen war drin. Damit konnte ich mein Gewicht in den letzten vier Jahren halten.

Allerdings habe ich im letzten Jahr wieder fünf Kilo zugenommen, weil ich mich wegen einer komplizierten Operation wenig bewegen konnte. Diese fünf Kilo sind mehr, als mir lieb ist. Ich kann zwar noch die Kleidung in den neuen Größen tragen, aber sie sitzt enger. Noch mehr sollten es jetzt nicht werden.

Ich bin jetzt aktiver und fitter

Das Abnehmen hat mir sehr gutgetan: Ich bin seitdem viel aktiver, fitter und leistungsfähiger. Und meine Hüften schmerzen weniger – auch rechts auf der nicht operierten Seite. Auch das Treppensteigen über drei Etagen zu meiner Wohnung fällt mir viel leichter. Und ich kann Kleidung tragen, die mir lange nicht gepasst hat. Ich bekomme Anerkennung und Komplimente. Und werde teilweise nicht wiedererkannt. Auch das motiviert mich, weiter dranzubleiben.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Über diese Seite

Erstellt am 18. Dezember 2024

Nächste geplante Aktualisierung: 2027

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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