ME/CFS: Unterstützung im Alltag

Foto von Tochter und erschöpfter Mutter

Menschen mit ME/CFS können verschiedene Angebote zur Unterstützung im Alltag beantragen. Dazu zählen Hilfsmittel, Pflege oder Anpassungen der Arbeitssituation. Was infrage kommt, hängt unter anderem vom Schweregrad der Erkrankung ab. Neben einer geeigneten medizinischen Versorgung ist die Unterstützung im Familien- und Freundeskreis besonders wichtig.

Bei ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom) fällt es manchmal schwer, mit anderen darüber zu sprechen, wie man sich fühlt und welche Bedürfnisse man hat. Das kann daran liegen, dass die Krankheit die Konzentration beeinträchtigt und die starke Erschöpfung längere Gespräche erschwert. Es kann auch unangenehm sein, offen über die eigenen Bedürfnisse zu sprechen.

Hinzu kommt, dass anderen oft grundlegendes Wissen zur Erkrankung und Verständnis für die Belastungen fehlt. Menschen mit ME/CFS bekommen deshalb häufig falsche Ratschläge zum Umgang mit der Erkrankung. Damit Freunde und Familie, aber auch das Personal in Praxen und Kliniken wirklich helfen können, sollten sie die Belastungen durch ME/CFS verstehen – und ein Gefühl dafür bekommen, was man braucht und was nicht.

Entscheidend ist eine gute medizinische Versorgung, die auf die Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt ist. Und natürlich die Unterstützung durch Partnerin oder Partner, Familie und Freundeskreis. Aber auch Kolleginnen und Kollegen, die Nachbarschaft oder Bekannte können eine wichtige Rolle spielen. Zudem kann der Austausch mit anderen Betroffenen helfen, etwa in einer Selbsthilfegruppe oder über soziale Medien.

Was kann helfen, wenn die Beschwerden zunehmen?

Menschen mit ME/CFS haben dauerhaft Beschwerden, die ihre Belastbarkeit stark einschränken. Hinzu kommt, dass es Phasen gibt, in denen die Beschwerden besonders stark sind. Dann können für ein paar Tage oder länger alle Aktivitäten noch schwerer fallen als sonst. Einige schaffen es dann zum Beispiel kaum, sich allein anzuziehen, in der Wohnung zu bewegen oder etwas zu essen zu machen. Sogar die Mahlzeiten zu sich zu nehmen, kann schon die Kräfte überfordern. Sehr schwer Erkrankte können das Bett kaum noch verlassen.

Die verbliebene Energie muss gut eingeteilt werden. Dazu braucht es eine gute Wahrnehmung des eigenen Körpers. Es ist wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen, Belastungen anzupassen und Ruhepausen einzuplanen. Während einer Post-exertional Malaise (PEM) sollte es jederzeit möglich sein, sich hinzulegen – wenn möglich in einem ruhigen Raum, der sich abdunkeln lässt.

In Phasen mit starken Beschwerden ist die Unterstützung durch andere besonders wichtig, denn Hilfe wird bei fast allen Alltagstätigkeiten gebraucht. Bei einer sehr schweren ME/CFS ist auch pflegerische Hilfe nötig.

Welche Unterstützung braucht es im Beruf?

Viele Menschen mit ME/CFS möchten weiter berufstätig sein. Meist gelingt dies jedoch nur leichter Erkrankten mit bestimmten Berufen. Anpassungen können jedoch nötig sein, etwa der Aufgaben, des Arbeitsorts oder der Arbeitszeit. Bei Tätigkeiten, die auch zu Hause möglich sind, ist dies einfacher als in Berufen, die man nur im Betrieb ausüben kann oder die körperlich anstrengend sind. Zudem gibt es die Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung (Hamburger Modell). Schwerbehinderte Menschen haben besondere Rechte und Ansprüche, zum Beispiel einen verbesserten Kündigungsschutz und den Anspruch auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz.

Menschen mit ME/CFS müssen sich öfter krankmelden, manchmal für mehrere Wochen. Der Umgang damit sollte mit dem Arbeitgeber besprochen werden. Es kann hilfreich sein, Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen die Erkrankung und die damit verbundenen Einschränkungen zu erklären.

Viele Betroffene können aber nur noch sehr eingeschränkt oder gar nicht mehr arbeiten. Sie müssen ihre bisherigen Berufspläne aufgeben, und es stellt sich die Frage nach Berufsunfähigkeit.

Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeitet, kann eine Erwerbsminderungsrente beantragen. Dies geht meist mit deutlichen finanziellen Einbußen einher. Es ist sinnvoll, sich darauf vorzubereiten und zu Unterstützungsmöglichkeiten beraten zu lassen.

Manchmal gelingt auch ein Wechsel in eine Tätigkeit, die sich mit der Erkrankung besser vereinbaren lässt. Wichtig sind eine flexible Tagesgestaltung und die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten und Pausen nach Bedarf zu machen. Es gibt Menschen mit ME/CFS, die sich selbstständig machen, um Beruf und gesundheitliche Bedürfnisse besser zu vereinbaren – auch wenn dies andere Herausforderungen mit sich bringt. Wenn sich solche Fragen stellen, kann eine Beratung zur beruflichen Neuorientierung sinnvoll sein, beispielsweise in einer Arbeitsagentur oder im Rahmen eines Coachings.

Welche Hilfsmittel gibt es?

Hilfsmittel wie (elektrische) Rollstühle oder Gehhilfen können nötig werden, wenn das Gehen oder Aufstehen schwerfällt. Trinkhilfen können Essen und Trinken erleichtern. Zudem kann es sinnvoll sein, die Wohnung barrierefrei zu gestalten, damit man sich dort so selbstständig wie möglich bewegen kann. Dazu gehören zum Beispiel die Umgestaltung des Badezimmers und die rollstuhlgerechte Anpassung aller Räume. Je nach persönlicher Situation kann ein Pflegebett praktisch sein. Bestimmte Hilfsmittel können von Ärztinnen und Ärzten verordnet werden und werden dann von den Krankenkassen bezahlt.

Hilfreich ist es auch, sich so einzurichten, dass man Alltagstätigkeiten mit möglichst wenig Aufwand erledigen kann – zum Beispiel, indem häufig genutzte Dinge immer in Reichweite sind.

Wenn man das Haus nicht verlassen kann, sind digitale Kommunikationsmöglichkeiten besonders wichtig, um in Kontakt zu nahestehenden Menschen zu bleiben. Das Internet und soziale Medien bieten zudem gute Möglichkeiten, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.

Mittlerweile bieten einige Ärztinnen und Ärzte Sprechstunden per Telefon oder Video über das Internet an. Es ist auch möglich, ärztliche Hausbesuche oder Krankentransporte in Anspruch zu nehmen.

Was ist bei einer Rehabilitation zu beachten?

Grundsätzlich dient eine Rehabilitationsbehandlung dazu, nach schwerer Krankheit wieder gesund zu werden oder einer Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen. Der Reha-Antrag wird bei der Krankenversicherung oder der Rentenversicherung gestellt.

Bisher gibt es allerdings nur wenige Reha-Angebote, die auf Menschen mit ME/CFS zugeschnitten sind. Viele Betroffene haben Bedenken, dass ihnen eine Rehabilitation gar nicht helfen und sogar schaden könnte. Einige berichten, dass sich ihre Beschwerden nach einer Reha verstärkt haben. Umso wichtiger ist es, sich bei Ärztinnen und Ärzten oder der Krankenkasse über geeignete Angebote zu informieren. Zudem sollte wissenschaftlich untersucht werden, wie Reha-Angebote für Menschen mit ME/CFS aussehen sollten.

Welche Versorgungsleistungen gibt es?

Je nach Situation stehen neben Hilfsmitteln verschiedene Versorgungsleistungen zur Verfügung:

Zudem kann man einen Grad der Behinderung feststellen lassen und einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Dadurch können sich Ansprüche auf bestimmte Leistungen und besondere Rechte ergeben, wie etwa Nachteilsausgleiche, finanzielle Vergünstigungen, zusätzliche Urlaubstage oder ein verbesserter Kündigungsschutz.

Wie können Kinder und Jugendliche unterstützt werden?

Schulkinder und Jugendliche sollten möglichst am Präsenzunterricht teilnehmen können. Wenn sie längere Zeit in der Schule fehlen, muss ein Haus- oder Onlineunterricht organisiert werden. Daneben sind soziale Kontakte und altersgerechte Aktivitäten wichtig.

Über einen Nachteilsausgleich können die Leistungsanforderungen in Schule, Ausbildung und Studium individuell angepasst werden. Dabei werden die Belastungen durch die Erkrankung berücksichtigt – auch bei Prüfungen und der Benotung. Einen Nachteilsausgleich beantragen beispielsweise die Eltern bei der Schule. Dafür muss ein ärztliches Attest vorgelegt werden.

Entscheidend ist, dass Lehrerinnen und Lehrer gut über die Krankheit informiert sind. Nur so können sie die schulischen Anforderungen an die Bedürfnisse und Belastungsfähigkeit des Kindes oder Jugendlichen anpassen. Dazu zählt zum Beispiel die Rücksichtnahme beim Sportunterricht, denn zu starke körperliche Anstrengung kann die Beschwerden verstärken. Manchmal kann es auch sinnvoll sein, das Kind ganz vom Sportunterricht zu befreien, den Stundenplan flexibel zu gestalten und einen Ruheraum anzubieten.

Wie bekomme ich Kontakt zu anderen Menschen mit ME/CFS?

In Deutschland gibt es unter anderem folgende Selbsthilfeorganisationen und Patientenverbände:

Diese Gruppen informieren über die Erkrankung und ermöglichen den Austausch mit anderen Betroffenen. Zudem gibt es verschiedene Personen und Initiativen, die in sozialen Netzwerken aktiv sind.

In Deutschland gibt es darüber hinaus ein breites Angebot zur persönlichen Beratung und Unterstützung im Krankheitsfall. Viele dieser Angebote sind aber vor Ort unterschiedlich organisiert und nicht immer direkt zu finden. Wir haben deshalb eine Liste von Anlaufstellen zusammengestellt, die helfen, Angebote vor Ort zu finden und zu nutzen.

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Erstellt am 15. Mai 2023

Nächste geplante Aktualisierung: 2026

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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