Ich habe dann meine Mutter überredet, mit mir zum Arzt zu gehen. Ich sagte ihr, dass ich zum Neurologen müsste. Ich hatte nicht den Mut ihr zu sagen, dass sie sich untersuchen lassen muss. Der erfahrene Arzt hat es schnell mit den üblichen Tests erkannt und im normalen Gespräch waren die Aussetzer sehr deutlich zu spüren gewesen. Sie konnte auf bestimmte Fragen nicht antworten. Er hat zum Beispiel gefragt, wie unser Bundeskanzler heißt. Meine Mutter antwortet darauf „Ja, wissen Sie das denn nicht?“ Das war typisch, dass sie immer mit einer Gegenfrage geantwortet hat. Sie war dann eine Woche stationär in Behandlung und dann hatten wir die Diagnose. Aber wir wussten immer noch nicht, was die Diagnose wirklich bedeutet. Wir haben immer noch gedacht, dass sie dann halt etwas vergesslich wird.
In den Anfangszeiten der Erkrankung hat sie zu mir gesagt „Ich glaub, ich werde verrückt.“ Sie hatte schon länger gespürt, dass etwas mit ihr nicht stimmt.
Als ich mir dann Informationen eingeholt hatte, fiel zum ersten Mal das Wort „Verlust der Alltagskompetenz“. Darunter konnte ich mir aber auch nicht so viel vorstellen. Bis ich merkte, dass meine Mutter im häuslichen Bereich nicht mehr klarkam. Sie wurde zwar medizinisch behandelt, lebte aber noch allein. Sie wohnte 15 Kilometer von uns entfernt. Neben meinem Job bin ich dann fast jeden Tag zu ihr gefahren. Irgendwann hat mir die Krankenkasse einen Hinweis auf eine Pflegeeinstufung gegeben. Die Ärztin, die meine Mutter begutachtet hat, hat mir dann noch mehr Informationen gegeben, so dass ich annähernd wusste, was auf mich zukommt. Was aber tatsächlich auf uns zukam, war noch viel schlimmer. Ich hatte gedacht, dass meine Mutter bestimmt noch gut im Betreuten Wohnen aufgehoben sein würde. Aber die Ärztin hat mir den Zahn gezogen und meinte, dass meine Mutter schon lange kein Fall mehr für das Betreute Wohnen sei. Dann ist der Entschluss entstanden, Mutter zu uns zu holen. Zwar in eine eigene Wohnung, aber hier im Haus. Das haben wir dann auch mit meiner Mutter besprochen. Wir haben nicht bemerkt, dass das meine Mutter zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr verstehen konnte. Als der Umzug dann stattfand, war meine Mutter sehr außer sich, weil sie es nicht verstanden hat. Sie ist regelrecht auf mich losgegangen.