Ich habe mir gesagt, dass ich ruhig bleiben muss

Foto von Mutter und Kind beim Vorlesen

Katrin, 5 Kinder, jüngster Sohn nässt nachts ein

„Mein Sohn war sehr schüchtern. Ich hab gemerkt, dass ihm das Einnässen sehr unangenehm war. Ansonsten war in seinem Leben alles in Ordnung. Als er älter wurde und zur Schule ging, hat er dann immer von „meiner Krankheit“ gesprochen.“

Mein Sohn war in diesem Sinn nie trocken. Wenn, dann nur ein oder zwei Nächte. Wenn er eine Nacht trocken war, dann habe ich ihn gelobt und er hat etwas Besonderes bekommen. Wenn er dann wieder eingenässt hat, habe ich Zweifel bekommen, ob es denn überhaupt klappen wird. Ich habe mir dann gesagt, dass ich ruhig bleiben muss. Er sollte nicht merken, wie traurig ich war. Das hat mich sehr belastet.

Es gab keinen Rhythmus. Ich hätte nicht sagen können, ob es in den Ferien oder am Wochenende, im Sommer oder im Winter besser oder schlechter war. Es war sehr unterschiedlich.

Bettnässen bei Kindern ist ein Tabuthema. Die Ärzte und die Psychologen helfen nicht. Ich habe nicht gewusst, wen ich fragen soll und wer mir helfen kann. In den Zeitschriften kann man nichts darüber lesen. Es ist, als ob es dieses Thema auf dieser Welt nicht gäbe. Man kann nicht erfahren, was die Ursachen sind und was man dagegen machen kann. Das ist sehr traurig.

Körperlich war alles in Ordnung

Zuerst war ich mit meinem Sohn beim Urologen. Ich wollte wissen, ob körperlich alles in Ordnung ist. Ich hatte keine Vorstellung, wodurch das kam. Der hat meinen Sohn untersucht und sagte, dass körperlich alles in Ordnung sei. Danach stand ich erst mal da und wusste nicht weiter. Ich bin dann zu einem anderen Urologen gegangen. Aber er sagte auch, dass körperlich alles in Ordnung ist.

Ich habe überlegt, was die Ursache sein kann, und habe über die Familie nachgedacht. Der Bruder von meinem Mann hat als Erwachsener noch das Bett eingenässt. Das war Zufall, dass ich das von meiner Schwiegermutter erfahren habe. Ein Cousin von mir und ein Cousin meines Vaters haben auch ins Bett genässt. Deshalb habe ich gedacht, dass es vielleicht in der Familie liegen kann.

Ich habe verschiedene Möglichkeiten ausprobiert

Ich habe dann verschiedene Möglichkeiten ausprobiert, damit das Einnässen aufhört. Ich hab versucht, meinen Sohn zu wecken. Mein Sohn schläft sehr fest. Nachdem er schlafen gegangen war, wollte ich ihn eine Stunde später wecken. Aber es war schon zu spät.

Dann habe ich versucht, dass er weniger trinkt. Nachmittags habe ich ihm kaum noch etwas zu trinken gegeben. Im Sommer war das sehr schwer für ihn und es tut mir jetzt sehr leid. Am Abend habe ich die Trinkmenge soweit reduziert, dass er dann fast nichts mehr getrunken hat. Ich habe gedacht, wenn er weniger Flüssigkeit aufnimmt, dann scheidet er auch weniger aus. Aber irgendwie hat er noch mehr Flüssigkeit ausgeschieden.

Wir sind auch zum Kinderpsychologen gegangen. Mein Sohn war sehr verunsichert und hat sich in den Gesprächen nicht wohl gefühlt. Es war ihm unangenehm. Es hat auch keine Veränderungen gebracht und wir sind dann nicht mehr hingegangen.

Vom Arzt habe ich erfahren, dass es eine Klingelhose für die Behandlung von Bettnässen gibt. Ich habe es ausprobiert. Es hat ziemlich laut geklingelt. Jeder in der Wohnung hat es gehört und alle waren hellwach. Wir haben alle sehr schlecht geschlafen, da das Gerät bei dem ersten Tropfen anschlägt. Nur mein Sohn hat weitergeschlafen. Er schlief ja immer sehr fest. Es war sogar sehr schwer meinen Sohn aufzuwecken. Er hat das gar nicht bemerkt. Am nächsten Tag konnte er sich auch an nichts erinnern.

Wenn er bei Freunden geschlafen hat, ist nie etwas passiert

Mein Sohn war sehr schüchtern. Ich hab gemerkt, dass ihm das Einnässen sehr unangenehm war. Ansonsten war in seinem Leben alles in Ordnung. Als er älter wurde und zur Schule ging, hat er dann immer von „meiner Krankheit“ gesprochen.

Er hat oft in den Ferien bei Freunden geschlafen. Es ist nie etwas passiert. Ich konnte dann meistens nicht schlafen. Ich habe mir Gedanken gemacht, was passiert, wenn er dort einnässt. Ich hatte Angst, was das für Folgen für seine Freundschaften haben könnte. Ich glaube, er hat sich darüber gar keine Gedanken gemacht.

Mittlerweile sprechen wir nicht mehr darüber. Wir verständigen uns über Augenkontakt und über Gesten. Wenn er manchmal am Morgen in die Küche kommt, dann wartet er, bis seine Geschwister nach draußen gegangen sind. Dann sagt er: „Wenn du mal Zeit hast, wäschst du meine Steppdecke mit und mein Kopfkissen?“ Und ich sage: „Ja, mach ich schon.“ Es wird nicht groß drüber geredet.

Es war schwierig, aber es hat sich alles eingespielt

Manchmal war es schwierig. Wenn ich nach der Arbeit nach Hause kam, war ich manchmal sehr müde. Aus Erfahrung hatte ich immer eine Reserve an Bettwäsche, vor allem im Winter, wenn es schlechter trocknet. Die Steppdecke und das Bettzeug habe ich nicht jeden Tag gekocht. Ich habe es jeden Tag gleich nach dem Nasswerden gewaschen. Es kostet eine Menge Strom und Wasser. Die Matratze hab ich manchmal mit dem Fön und nachher mit dem Dampfreiniger getrocknet. Der Dampfreiniger ist das beste Mittel, um die Matratze geruchsfrei zu bekommen. Mit der Zeit hat sich das alles eingespielt.

In den letzten Jahren brauchten nur ein paar Tropfen an der Bettdecke zu sein ... mein Sohn war dann vom Geruch schon so genervt. Er wollte, dass alles gewaschen wird. Als er klein war, hat ihn das nicht so gestört. Jetzt möchte er mit dem Geruch nichts zu tun haben. Es muss alles sehr sauber sein.

Ich habe mich oft gefragt, was ich falsch mache. Es ist mein fünftes Kind und alle anderen Kinder sind trocken geworden. Vier Kinder werden trocken und beim fünften Kind schaffe ich es nicht.

Meine Kinderärztin hat mir dann gesagt, dass ich nichts falsch machen würde. Aber ich habe mir trotzdem gesagt, dass ich das schaffen muss. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihm und auch mir helfen muss. Vor allem bei der Bewältigung der Wäsche. Das ist für mich als Mutter das Problem. Mit den vielen Kindern gibt es immer viel Wäsche.

Eltern sollten auf keinen Fall ihre Kinder bestrafen

Manchmal war ich sehr müde und konnte körperlich und seelisch nicht mehr. Aber ich habe dann meine anderen Kinder gesehen und das hat mir geholfen. Es hat mir geholfen, dass ich meine Kinder liebe und dass meine Kinder mich lieben. Das hat uns gegenseitig Kraft gegeben. Wir waren und sind füreinander da, und der Zusammenhalt, der hat uns geholfen.

Mir hat damals auch das Gespräch mit anderen Müttern geholfen. Das war sehr erleichternd. Vielleicht hilft ein Gesprächspartner auch anderen betroffenen Eltern.

Eltern sollten auf keinen Fall ihre Kinder bestrafen. In keiner Weise. Ich denke, dass es am besten ist, das Kind zu lieben und zu beschützen. Der Alltag fällt manchmal schwer. Es kostet Nerven. Man sollte trotzdem versuchen, noch mehr für das Kind da zu sein. Damit das Kind merkt, dass es trotzdem gemocht wird und etwas Besonderes ist.

Der Vater meines Sohnes war der Meinung, dass es nur an ihm liegt und er bestraft werden muss. Ich bin der Meinung, dass Gewalt und Strafen nicht helfen.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Aktualisiert am 23. März 2022

Nächste geplante Aktualisierung: 2025

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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