Hilft eine Verödung von Nervenfasern (Facettendenervation) bei einem Facettensyndrom?

Foto von Patient und Ärztin in der Sprechstunde

Bei Rückenschmerzen, die wahrscheinlich von den Facettengelenken ausgehen, kommt eine Facettendenervation infrage. Dabei werden die Nerven am Wirbelgelenk verödet, die den Schmerz an das Gehirn weiterleiten. Der Eingriff hat aber keine nachgewiesenen Vorteile gegenüber einer konservativen Behandlung, vor allem mit .

Bei einem Facettensyndrom sind Nerven an einem oder mehreren Facettengelenken (Wirbelgelenken) gereizt, was Schmerzen auslöst. Solche Facettenschmerzen werden meist konservativ – also ohne operativen Eingriff – behandelt. Das beinhaltet vor allem gezielte Übungen aus der Physiotherapie zur Kräftigung der Rücken- und Rumpfmuskulatur oder Bewegungsformen wie Yoga oder Pilates.

Wenn Rückenschmerzen trotz konservativer Behandlungen über Monate anhalten und im Alltag sehr belasten, wird manchmal eine Facettendenervation in Betracht gezogen. Dabei werden die Nervenfasern in den schmerzleitenden Nerven mit Hitze oder Kälte zerstört (verödet). Dies kommt aber nur infrage, wenn die Schmerzen sehr wahrscheinlich von den Facettengelenken ausgehen.

Wie lässt sich herausfinden, ob die Schmerzen von einem Facettengelenk kommen?

Dies lässt sich nur schwer feststellen. Denn die Beschwerden ähneln stark denen bei anderen Arten von Rückenschmerzen. Auch körperliche Untersuchungen können nur erste Hinweise geben. Bildgebende Untersuchungen wie Röntgen, eine () oder Magnetresonanz-Tomografie () erlauben keine Aussage darüber, ob Schmerzen von den Facettengelenken ausgehen: Denn Studien zeigen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Rückenschmerzen und in der Bildgebung sichtbarer Facettenarthrose gibt.

Um möglichst sicher festzustellen, ob eines oder mehrere Facettengelenke den Schmerz auslösen, ist eine sogenannte Facettenblockade nötig (auch diagnostischer Block genannt). Dabei wird ein kurz wirksames Betäubungsmittel an die Seitenäste der Spinalnerven gespritzt, die die Facettengelenke im betroffenen Rückenbereich versorgen (siehe Grafik). Lassen die Schmerzen daraufhin für einige Stunden deutlich nach, geht man davon aus, dass die „blockierten“ Facettengelenke die Schmerzauslöser sind.

Grafik: Lage des mittleren Asts der rückenversorgenden Nerven

Zwar ist die Facettenblockade die beste Methode, um Facettenschmerzen festzustellen – falsche Diagnosen sind aber trotzdem möglich. Denn manchmal schaltet die Facettenblockade auch Schmerzen aus, die gar nicht von den Facettengelenken kommen, sondern von Rückenmuskeln oder Wirbelbändern, die von benachbarten Nerven versorgt werden. Aus Studien weiß man, dass die Schmerzen nach einer solchen Injektion bei bis zu 50 % der so Untersuchten auch nachlassen, wenn sie nicht von den Facettengelenken ausgehen. Um die Aussagekraft der Untersuchung zu erhöhen, wird die Facettenblockade daher manchmal wiederholt. Dies wird auch von Fachleuten so empfohlen.

Gut zu wissen:

Um Rückenschmerzen mit konservativen Behandlungen wie und Schmerzmitteln gut zu behandeln, ist keine genaue nötig. Sie ist nur erforderlich, wenn eine Nervenverödung (Facettendenervation) erwogen wird oder es Hinweise auf ernste Ursachen für die Schmerzen gibt.

Was ist eine Facettendenervation?

Ein Nerv besteht aus vielen Nervenfasern, die Schmerzsignale an das Gehirn weiterleiten. Erst dadurch empfinden wir Schmerz. Bei einer Facettendenervation werden die Nerven verödet, die unter Verdacht stehen, den Schmerz weiterzuleiten. Dazu werden meist Radiowellen eingesetzt, die den Nerv erhitzen (Radiofrequenzdenervation, Radiofrequenzablation).

Die soll die Schmerzweiterleitung für wenigstens zwölf Monate unterbrechen. Die zerstörten Nervenfasern können sich aber mit der Zeit erholen und nachwachsen. Damit können die Nerven ihre Funktion wieder aufnehmen und die Schmerzen können zurückkehren. Dann lassen sich die Nerven erneut veröden. Dies wird aber höchstens zwei Mal innerhalb eines Jahres empfohlen.

Wann kommt eine Facettendenervation infrage?

Eine Facettendenervation wird in der Regel nur erwogen, wenn

  • die Schmerzen seit mindestens drei Monaten bestehen, den Alltag erheblich einschränken und trotz einer Kombination aus Bewegung, Kräftigungsübungen und Medikamenten nicht besser werden,
  • ärztliche Untersuchungen Hinweise liefern, dass die Beschwerden von den Facettengelenken ausgehen, und
  • mindestens eine Facettenblockade zeigt, dass die Schmerzen wahrscheinlich in einem oder mehreren Facettengelenken entstehen.

Bei der Entscheidung für oder gegen eine Facettendenervation spielt auch die persönliche Situation eine Rolle, zum Beispiel: Wie groß ist der eigene Leidensdruck? Ist eine – zumindest vorübergehende – Linderung wichtig, etwa weil eine Reise bevorsteht?

Facettendenervation: ja oder nein?

Bevor man sich für eine Facettendenervation entscheidet, ist es sinnvoll, sich gut über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Diese Entscheidungshilfe kann dabei unterstützen, die jeweiligen Vor- und Nachteile für sich selbst abzuwägen.

Vor einem solchen Eingriff hat man außerdem das Recht, sich kostenlos von einer Spezialistin oder einem Spezialisten beraten lassen (ärztliche Zweitmeinung).

Wie läuft die Verödung ab?

Eine Facettendenervation ist normalerweise möglich. Man liegt dabei auf dem Bauch. Meist wird die Haut am Rücken örtlich betäubt, manchmal erhält man auch ein Beruhigungsmittel. Eine ist nicht nötig.

Für den Eingriff werden feine Hohlnadeln (Kanülen) in den Rücken gestochen. Über die Kanülen wird eine kleine Sonde an die betroffenen Nervenäste geführt. Mit der Sonde überträgt die Ärztin oder der Arzt entweder Hitze zwischen 45 und 80 Grad (Thermokoagulation oder Radiofrequenzdenervation) oder Kälte zwischen minus 20 und minus 60 Grad (Kryodenervation). Während der Behandlung wird mittels oder Röntgen sichergestellt, dass die Sonde die richtige Stelle erreicht.

Kann eine Facettendenervation helfen?

Ob eine Facettendenervation hilft, wurde bislang nur in wenigen Studien untersucht. Dazu wurde sie mit einer Scheinbehandlung verglichen, bei der die Teilnehmenden nur dachten, sie hätten eine erhalten (). Diese Studien liefern Hinweise darauf, dass eine Facettendenervation Schmerzen über einen Zeitraum von etwa vier Wochen lindern kann. Längerfristig zeigte sich allerdings kein Vorteil.

Weil die Studien klein waren, lässt sich die Wirksamkeit der im Vergleich zu einer Scheinbehandlung aber nicht abschließend beurteilen. Deshalb läuft in England derzeit eine große Studie zu dieser Frage.

Hilft eine Facettendenervation zusätzlich zu einer Physiotherapie?

In einer großen Studie wurde untersucht, was bei einer Facettenarthrose besser hilft: allein oder plus Facettendenervation. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten eine konservative mit 8 bis 12 Stunden innerhalb von 3 Monaten und bei Bedarf auch psychotherapeutische Unterstützung. Sie wurden ein Jahr lang zu ihren Beschwerden befragt.

Im Ergebnis zeigten sich keine Vorteile einer Facettendenervation: Schmerzen und andere Beschwerden besserten sich bei Menschen, die nur konservativ behandelt wurden, genauso gut wie bei denen, die zusätzlich eine Facettendenervation erhielten.

Welche Risiken hat eine Verödung (Facettendenervation)?

Sowohl nach einer Facettenblockade als auch nach einer Facettendenervation kann die Einstichstelle schmerzen und es kann zu kleinen Blutergüssen in der Haut kommen. Die umliegende Haut kann für einige Tage bis wenige Wochen druckempfindlich sein und taub werden, kribbeln oder jucken. Manchmal ist die Beweglichkeit etwas eingeschränkt, weil das erhitzte Gewebe gereizt ist. Die verödeten Nerven können sich vorübergehend entzünden, was sich ähnlich anfühlt wie ein Sonnenbrand. Um dies zu vermeiden, wird nach der manchmal etwas an die Nerven gespritzt.

Die verödeten Nerven sind nicht nur für die Facettengelenke zuständig, sondern auch für bestimmte Muskeln und Bänder zwischen den Wirbeln und entlang der Wirbelsäule. Die kann diese Muskeln und die Bandscheiben daher etwas schwächen. Meist hat dies keine gesundheitlichen Folgen. Es ist aber nicht ganz auszuschließen, dass dadurch die Wirbelsäule instabiler wird. Manche Fachleute empfehlen daher, auch nach einer die Rückenmuskulatur zu trainieren. Regelmäßige Bewegung führt außerdem dazu, dass man seltener Rückenschmerzen hat.

Wenn bei der Behandlung versehentlich eine Nervenwurzel erhitzt wird, kann es vorübergehend zu Beinschmerzen, einem Schwächegefühl oder Taubheit in den Beinen kommen. Schwerwiegende Komplikationen oder anhaltende Probleme sind möglich, aber sehr selten.

Wer einen oder ein anderes implantiertes Gerät trägt, sollte die Ärztin oder den Arzt vor einer Nervenverödung darüber informieren.

Gibt es noch andere Verfahren?

Ein anderes, eher selten eingesetztes Verfahren ist die sogenannte endoskopische Denervation. Dabei können neben der auch Knochen abgetragen, Nerven und Bänder durchtrennt oder das Gelenk gespült werden. Weil bei dem Eingriff stärker in den Körper eingegriffen wird, hat er auch mehr Risiken. Es fehlt aber an aussagekräftigen Studien zu diesem Verfahren. Die möglichen Vor- und Nachteile lassen sich daher noch nicht beurteilen.

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Erstellt am 03. Juli 2024

Nächste geplante Aktualisierung: 2027

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Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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