Heute kann man eine Hepatitis-C-Infektion gut behandeln

Foto von Selbsthilfegruppe

Josef, 79 Jahre

„Nach einem Jahr Behandlung mit den neuen Medikamenten war die akute Leberentzündung bei mir ausgeheilt – und das bis heute. Trotzdem ist die Leber geschädigt, weil die Hepatitis C so lange unerkannt blieb.“

Es hat mehr als zehn Jahre gedauert, bis ich wusste, dass ich an C erkrankt war. Ich hatte vor über 40 Jahren eine große Darmoperation und bekam auch Bluttransfusionen, über die ich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Hepatitis-Virus infiziert wurde.

Denn direkt nach der OP stieg ein Leberwert im Blut, Gamma-GT, auf über das Hundertfache des Normalwertes. Die Ärzte gingen von einer Leberentzündung aus. Die Tests auf A und B waren allerdings negativ – das Hepatitis-C-Virus war damals noch nicht bekannt. Deswegen wurde von einer „Non-A-/Non-B-Hepatitis“ gesprochen – behandelt werden konnte sie damals nicht.

Über die erhöhten Blutwerte hinaus hatte ich keine Beschwerden. Da ich auch eine chronische Darmerkrankung hatte, die sehr behandlungs- und kontrollintensiv war, lag das Hauptaugenmerk darauf. Die Kontrolle der Leberwerte lief immer nebenher.

Die erste Behandlung musste ich abbrechen

Erst später wurde die C bei mir festgestellt. Zu der Zeit nahm ich an einer Medikamentenstudie teil und mein Blut wurde routinemäßig auf viele verschiedene Erreger getestet.

Nach der wurde ich an einen Hepatologen, also einen Leberspezialisten, überwiesen und startete mit einer Alpha-Interferon-Therapie. Leider war die Behandlung nicht erfolgreich: Ich sprach nicht darauf an und die wurde nach sechs Monaten abgebrochen.

Auf der einen Seite war ich frustriert, andererseits aber froh, da ich auch Nebenwirkungen hatte. Mich belasteten vor allem Konzentrationsprobleme. Meine Frau sagte immer, wenn ich morgens vor dem Spiegel stand und meine Krawatte band, könne sie fast nicht zugucken, weil ich so lange brauchte und nicht vorankam. Ich hatte auch Gedächtnisprobleme, konnte mir viele Dinge nicht merken und war wenig belastbar. In der Zeit arbeitete ich zwar voll, musste mich aber sehr zusammenreißen, um meinen Job zu schaffen.

Die Kombinationsbehandlung war endlich erfolgreich

Ungefähr acht Jahre später gab es eine neue Behandlung: eine Kombination aus Interferon und Ribavarin, einem Virushemmer. Sie war zwar ebenfalls mit starken Nebenwirkungen verbunden, bot aber auch mehr Aussichten auf Erfolg – und war für alle, die nicht auf Interferon allein ansprachen, eine Chance.

Und tatsächlich war es bei mir ein Erfolg: Nach einem Jahr war die akute ausgeheilt und das Hepatitis-C-Virus nicht mehr im Blut nachweisbar. Und das bis heute.

Frühberentung wegen der Nebenwirkungen

Die war sehr belastend: Ich musste die Medikamente ein Jahr lang nehmen und spürte im Laufe der Zeit zunehmend Nebenwirkungen. Vor allem das Blutbild war nicht in Ordnung, ich musste wöchentlich zur Kontrolle in die Klinik. Außerdem litt ich unter Veränderungen an Haut und Mundschleimhaut. Am schlimmsten war die körperliche Schwäche: Der kleinste Anstieg zu Fuß war für mich gefühlt wie die Besteigung des Mount Everest. In der Zeit war ich wirklich ein Schatten meiner selbst.

Das hatte die Konsequenz, dass ich mich mit Anfang 60 berenten ließ. Ich war vorher kaufmännischer Direktor eines Krankenhauses mit 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und konnte den Job nicht mehr stemmen. Nach Ende der Behandlung habe ich eineinhalb Jahre gebraucht, um mich davon zu erholen.

Für viele ist eine Lebererkrankung Folge von Alkoholismus

Aber obwohl die mit dem Hepatitis-C-Virus ausgestanden war, hatte ich eine geschädigte Leber, weil die Behandlung erst so spät möglich war. Die wurde bei mir zwar früh erkannt, das Hepatitis-C-Virus ist aber erst Anfang der 1990er-Jahre entdeckt worden. Und bis eine wirksame Behandlung entwickelt wurde, dauerte es nochmal eine Weile.

Die Leberschädigung zeigte sich bei mir durch eine beginnende und Krampfadern in der Speiseröhre durch den Blutrückstau aus der Leber. Diese Entwicklung ist leider nicht aufgehalten worden.

Wegen der Leberschädigung achte ich bis heute auf meine Ernährung und trinke keinen Alkohol. Und werde regelmäßig mit Vorurteilen konfrontiert: Wenn ich auf Feiern mein alkoholfreies Bier trinke, kommt sehr oft die Frage: „Hast du ein Problem mit Alkohol? Warst du mal Alkoholiker?“

Deswegen habe ich auch die Erkrankung nicht groß kommuniziert, sondern nur den engsten Freunden und Mitarbeitern davon erzählt. Und irgendwann auch die Kontrolluntersuchungen nicht mehr in dem Krankenhaus, in dem ich auch gearbeitet habe, machen lassen. Ich wollte mehr Anonymität und eine klare Trennung zwischen Privatleben und Beruf.

Engagement in der Selbsthilfe tut mir und den anderen gut

Ich habe das Glück, ein sehr optimistischer und positiv denkender Mensch zu sein. Deswegen gehe ich sehr bewusst mit der Erkrankung um und bin dankbar für das, was ich habe und selbst beeinflussen kann.

Und ich engagiere mich in der Selbsthilfevereinigung, der deutschen Leberhilfe e. V. in Köln. Dort kann ich anderen Betroffenen helfen und gebe immer das Signal: „Lasst den Kopf nicht hängen.“

Hohe Dunkelziffer an unerkannten Infektionen

In den über zehn Jahren Aktivität in der Selbsthilfe habe ich hautnah die wirklich revolutionäre Entwicklung der neuen Medikamente mitbekommen. Die moderne mit direkten Virushemmern wirkt innerhalb weniger Wochen, hat eine sehr hohe Erfolgswahrscheinlichkeit und ist mittlerweile mit minimalen Nebenwirkungen verbunden. Heute kann eine Hepatitis-C-Infektion sehr gut behandelt werden – wenn man sie entdeckt.

Leider gibt es aber immer noch eine hohe Dunkelziffer an unerkannten Hepatitis-C-Infektionen. Wenn man Infizierte früh entdeckt und behandelt, erspart man ihnen aber schwere Folgeerkrankungen wie und Leberkrebs.

Was Aufklärung angeht, müsste noch viel mehr getan werden, mehr Menschen Bescheid wissen und sich testen lassen. Nicht zuletzt ist das auch gesamtwirtschaftlich wichtig: Wenn alle Infizierten an einer erkranken, ist das ein Kostenfaktor.

Deswegen ist es mir so wichtig, über mich zu berichten. Ich will der Erkrankung ein Gesicht geben. Und weitergeben, dass sie kein Schicksal ist, gegen das man machtlos ist.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Über diese Seite

Erstellt am 17. Juli 2024

Nächste geplante Aktualisierung: 2027

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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