Heute habe ich so viel Kraft wie nie zuvor

Foto von Frau beim Malen

Margot, 52 Jahre

„Wenn ich damals von vorbeugenden Maßnahmen erfahren hätte, dann wäre es vielleicht nicht so weit gekommen.“

Mein Leben hat sich seit meiner Erkrankung an Darmkrebs schon sehr verändert. Das ist jetzt sechs Jahre her. Damals, als der Darmkrebs diagnostiziert wurde, war ich 45 Jahre alt. Aber ich bin heute meinem Schicksal nicht mehr böse, dass ich diese Krankheit bekommen habe. Ich habe heute das Gefühl, dass ich so stark bin und so viel Kraft habe wie noch nie zuvor. Diese Erfahrung von der Endlichkeit des Lebens war zuerst sehr schockierend, aber letztendlich auch eine sehr heilsame Erfahrung.

Wenn ich damals von vorbeugenden Maßnahmen erfahren hätte, dann wäre es vielleicht nicht so weit gekommen. Meine Oma ist im Alter von 64 Jahren an Darmkrebs gestorben. Meine Mutter im Alter von 52 Jahren und meine Tante mit 37 Jahren. Es lag absolut auf der Hand, dass bei uns Darmkrebs in der Familie liegt. Aber keiner hat uns von dieser Gefahr erzählt. Und wenn ich nicht selber krank geworden wäre, wer weiß, was mit meiner Tochter oder meiner Schwester passiert wäre. Also, ich wusste von vorbeugenden Maßnahmen überhaupt nichts.

Ich bin damals morgens wach geworden und wollte ganz normal zur Arbeit gehen. Aber dann hatte ich plötzlich enorme Blutungen. Ich habe Angst bekommen und bin zum Arzt gefahren. Nach zwei Tagen lag ich schon im Krankenhaus und wusste nicht, ob ich noch mal nach Hause komme.

Bei uns liegt Darmkrebs in der Familie

Da so viele in meiner Familie an Darmkrebs gestorben sind, dachte ich, dass ich nur noch ein paar Wochen leben werde, als ich von meiner erfuhr. Dass ich überleben kann, war für mich zuerst unfassbar. Ich hatte riesengroßes Glück, weil ich bei sehr guten Ärzten in Behandlung war.

Kurz bevor ich krank geworden bin, war ich im Urlaub. Ich hatte einen wunderschönen Urlaub und mir ging es wahnsinnig gut. Ich habe nie daran gedacht, dass der Krebs irgendwann bei mir eine Chance haben könnte. Ich habe überhaupt nichts gespürt. Ich hatte keine Schmerzen, keinen Gewichtsverlust und keine Probleme mit der Verdauung. Wenn der Tumor nicht angefangen hätte zu bluten, dann wäre er vermutlich erst viel später aufgefallen.

Als ich nach dem Krankenhaus wieder zu Hause war, musste ich etwas tun. Ich konnte nicht warten mit dem Gedanken, dass ich keinen Einfluss habe und sehen muss, ob es gut geht oder nicht. Ich bin dann in die Bücherei gefahren und habe alle Bücher über Darmkrebs geholt, um mich schlau zu machen und ein wenig nachzulesen. Darüber habe ich dann auch von einer Klinik erfahren, die eine Untersuchung durchführt, ob eine Krebserkrankung erblich bedingt ist. Bei mir wurde dann auch diese Untersuchung gemacht, ein Stammbaum aufgestellt und festgestellt, dass ich an (heriditäres nicht-polypöses kolorektales Karzinomsyndrom) erkrankt bin.

Nach meinem Krankenhausaufenthalt war ich bei einer Kur. In dieser Zeit habe ich gemerkt, dass ich mehr tun muss. Ich kann mich nicht zufrieden geben, dass der Krebs herausgeschnitten ist und dass jetzt alles erledigt ist. Ich wollte dafür sorgen, dass der Krebs nicht mehr wiederkommt. Durch diese Kur bin ich dann an meinen behandelnden Arzt geraten. Das war das Allerbeste, was mir passieren konnte.

Ich gehe regelmäßig einmal im Jahr zur Darmspiegelung. Die Darmspiegelung ist überhaupt nicht schmerzhaft. Es ist keine große Sache. Man braucht überhaupt keine Angst davor zu haben.

Lebensqualität ist für mich sehr wichtig

Ich treibe sehr viel Sport und ernähre mich gesund. Ich achte darauf, dass ich mich wirklich mit Dingen umgebe, die mir einfach Spaß machen. Ich hab' mich in einem sehr schönen Fitnessstudio angemeldet. Wenn ich dann zwei Stunden Fitness mache und anschließend in den Wellnessbereich mit Sauna und Whirlpool gehe, dann merke ich, dass das einfach meinem Körper und meiner Seele gut tut. Ich mache das jetzt mittlerweile schon dreimal in der Woche. Die Lebensqualität ist für mich sehr wichtig.

Ich habe seit fünf Jahren nur im letzten Jahr eine Erkältung gehabt und sonst gar nichts. Also, mein ist sehr stabil. Ich denke, ich bin bis jetzt so beschwerdefrei, weil ich all diese Sachen auch mache.

Ich versuche auch, mich mit Dingen zu umgeben, die mir sehr gut tun. Als ich damals aus dem Krankenhaus kam, bin ich zum Tierheim gegangen und habe mir einen Hund geholt. Ich wollte schon immer einen Hund haben. Er ist der beste Therapeut für mich, den ich mir denken kann. Wenn es mir mal nicht gut geht, dann schnappe ich mir den Hund und gehe mit ihm durch den Wald und über die Felder. Dann nehme ich noch meine Musik mit und es geht mir besser.

Die genetische Disposition ist immer noch das Schlimmste an der ganzen Krankheit. Ich liebe meine Tochter über alles. Der Gedanke, dass ich ihr das defekte Gen mitgegeben haben könnte, belastet mich sehr. Meine Tochter muss ja auch in fünf Jahren anfangen, sich spiegeln zu lassen, regelmäßig jedes Jahr. Ich weiß aber noch nicht genau, ob sie diese Disposition geerbt hat.

Mit meiner Tochter habe ich damals versucht zu sprechen, weil es ja ganz große Auswirkungen auf ihr späteres Leben hat, wenn sie diese Veranlagung geerbt hat. Sei es bei der Partnerwahl oder der Entscheidung für Kinder. Wenn ich das damals gewusst hätte, hätte ich mich gegen ein Kind entschieden. Ich bin sehr froh über meine Tochter und liebe sie über alles, aber wenn ich es gewusst hätte ... Meine Tochter hat gesagt, dass sie es nicht wissen möchte, ob sie das Gen hat. Ich kann das verstehen. Aber auf der anderen Seite wüsste sie dann, dass sie es nicht hat. So muss sie immer mit der Ungewissheit leben. Das ist eine sehr heikle Sache. Meine Schwester hat sofort gesagt, sie möchte es wissen.

Zur Darmspiegelung fahren wir gemeinsam

Ich fahre jetzt gemeinsam mit meiner Schwester zu den Darmspiegelungen. Sie hat ja das Gleiche wie ich innerhalb der Familie erlebt und muss auch jedes Jahr zur Darmspiegelung. Darmkrebs ist ja eine Krebsform, die gut zu behandeln ist, wenn sie frühzeitig erkannt wird.

Ich möchte heute mein Leben so leben, wie es am besten für mich ist. Nicht, dass ich rücksichtslos gegenüber den Wünschen meiner Familie oder meiner Freunde bin, aber ich lebe bewusster und intensiver. Ich versuche, mein Leben nicht so sehr auf die Zukunft auszurichten, sondern ich lebe heute, für den heutigen Tag. Ich plane nicht mehr auf die lange Sicht hinaus. Das war früher ganz anders. Eigentlich bin ich ganz glücklich mit meinem Leben. Ich würde mir wünschen, dass es so bleibt, wie es ist.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Aktualisiert am 14. Juli 2021

Nächste geplante Aktualisierung: 2024

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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