Für mich war der erhöhte Cholesterinwert eher eine Motivation

Foto von junger Frau auf Baumstamm im Wald, die Sport macht

Andrea, 30 Jahre

„Ein erhöhter Cholesterinwert ist ja erst einmal keine Krankheit, sondern ein Risikofaktor. Einmal im Jahr wird das Cholesterin im Blut kontrolliert, alle fünf Jahre gehe ich zum Kardiologen und lasse die Gefäße checken.“

Bei mir ist schon seit Kindertagen bekannt, dass ich zu hohe Cholesterinwerte habe. Als bei meinem Vater sehr hohe Cholesterinwerte schon im jungen Erwachsenenalter festgestellt wurden, kam der Verdacht auf, dass es sich um eine vererbte Form handeln könnte, eine „familiäre Hypercholesterinämie“.

Und tatsächlich stellte der Kinderarzt damals bei mir und meinen drei Geschwistern erhöhte Werte fest: Bei allen lagen sie zwischen 200 und 300 mg/dl für das . Normalerweise sollte der Wert bei unter 130 mg/dl liegen. Die Werte wurden einmal jährlich kontrolliert, Medikamente nahmen wir alle vier nicht.

Als ich etwas älter war, riet mir mein Hausarzt davon ab, Präparate zur Senkung der Werte zu nehmen, und kontrollierte weiterhin nur einmal im Jahr das Cholesterin im Blut. Er sagte, ich sei noch zu jung, um lebenslang täglich Medikamente zu schlucken. Falls überhaupt, würde das erst später sinnvoll sein. Obwohl der Arzt meines Vaters nachfragte und eine medikamentöse Behandlung auch bei den Kindern empfahl, blieb mein Hausarzt bei dieser Einschätzung. Darauf verließ ich mich. Meinem Vater ging es in der Zeit mit Anfang 50 sehr gut, auch wenn er mehr Stress hatte und sich weniger bewegte als ich.

Mit Sport und Ernährung wollte ich meinen Cholesterinwert senken

Das erste Mal setzte ich mich bewusst damit auseinander, als ich mich für ein Studium bei der Polizei bewarb, um Kriminalkommissarin zu werden. Dafür musste man einen Gesundheitstest bestehen. Und ich wusste, dass es wie auch bei der Bundeswehr kritisch gesehen wird, wenn die Cholesterinwerte zu hoch sind.

Deswegen hatte ich einen sehr hohen Anspruch an mich, was Fitness und Ernährung anging. Ich ernährte mich sehr gesund und bewegte mich viel, um mich auf den Sporttest vor dem Studium vorzubereiten. So hoffte ich, den Cholesterinwert senken zu können. Das hat aber nicht funktioniert. Vielleicht war es ja trotzdem hilfreich, weil meine Werte sonst noch höher gewesen wären. Den Sport- und Eignungstest bestand ich glücklicherweise und fing bei der Polizei an.

Den ersten Cholesterinsenker vertrug ich nicht

Ich machte mir aber wegen der erhöhten Cholesterinwerte weiterhin Gedanken. So ganz geheuer waren sie mir nicht. Und ich wusste, dass ich im Laufe der nächsten Jahre zum Ende des Studiums und vor der Verbeamtung auf Lebenszeit weitere Gesundheitstests bestehen musste. Auch für das Einsatztraining wollte ich weiter fit und gesund sein.

Deswegen nutzte ich einen Umzug und Wohnungswechsel, um mich nach einem anderen Hausarzt oder einer anderen Hausärztin umzuschauen und mir eine zweite Meinung anzuhören. Und tatsächlich: Die neue Hausärztin sagte mir direkt zu Beginn, dass sie mir bei den erhöhten Werten Medikamente empfehlen würde.

Weil ich ihr vertraute, sie sehr empathisch war und mir gut erklärte, warum sie es sinnvoll fand, Cholesterinsenker zu nehmen, startete ich vor drei Jahren mit einem Präparat, das zu den Statinen gehört.

Leider vertrug ich diesen Wirkstoff nicht. Als ich das Mittel probeweise absetzte, ging es mir direkt besser. Das berichtete ich auch meiner Ärztin.

Deswegen unterbrach ich die Behandlung, ließ es in den nächsten Jahren schleifen und machte mir keine Gedanken mehr.

Mein Vater stand kurz vor einem Herzinfarkt – ab da nahm ich es ernst

Als aber bei meinem Vater bei einem Routine-Check vor einer OP festgestellt wurde, dass er kurz vor einem stand, bekamen wir alle in der Familie einen großen Schreck. Seine Herzkranzgefäße waren stark verkalkt – er hatte wirklich Glück, dass dies entdeckt und behandelt wurde.

Ab dem Zeitpunkt war das Thema für uns vier Geschwister etwas ernster und konkreter. Wir waren alle um die 30 Jahre alt und hatten es vorher eher als Challenge gesehen und Witze gemacht: „Na, wer von uns hat denn die höheren Werte, hast du mich etwa überholt?“ Rückblickend betrachtet ziemlich zynisch, aber die Bedeutung war nicht wirklich bei uns angekommen.

Es war so abstrakt – ein Blutwert war nicht in Ordnung, und das fühlte sich von der Dimension her eher wie ein Vitaminmangel an. Dass es eventuell lebensbedrohliche Folgen haben könnte, war uns nicht klar.

Check beim Kardiologen für alle

Weil es die familiär vererbte Form war, sollten nun alle Familienmitglieder beim Kardiologen untersucht werden. Wichtig war, zu sehen, ob es auch bei uns Kindern Veränderungen an den Gefäßen gab.

Anscheinend war in unserem Fall das Risiko, dass die Arterien schon in jungen Jahren verkalken, ziemlich groß. Bis heute haben wir alle keine Gefäßschäden, was sehr beruhigend ist.

Das zweite Statin vertrug ich sehr gut

Auch wenn meine Gefäße alle frei waren, riet mir meine Hausärztin eindrücklich, Medikamente zu nehmen. Das zweite Präparat – ebenfalls ein Statin – vertrug ich Gott sei Dank sehr gut. Die Dosis wurde schrittweise gesteigert, bis das Cholesterin unter 100 lag. Das ist gerade bei der letzten Kontrolluntersuchung bestätigt worden.

Ich erfuhr auch, dass es nicht schlimm ist, wenn ich mal eine Tablette vergesse. Beim alten Hausarzt hatte ich etwas missverstanden und dachte, ich müsste streng darauf achten, dass ich keine auslasse – so ähnlich wie bei der . Das hatte mich damals irritiert und war auch ein Grund, mich nicht weiter damit zu beschäftigen, da es mir zu stressig erschien.

Kontrollen bei Hausärztin und Kardiologen beruhigen

Einmal im Jahr wird das Cholesterin im Blut kontrolliert, alle fünf Jahre gehe ich zum Kardiologen und lasse die Gefäße checken. Sowohl meine Hausärztin als auch der Kardiologe haben mir den Ernst der Situation erklärt, ohne zu dramatisieren.

Die Kombination ist wichtig: neutral informieren, nicht beschönigen, aber auch keine Ängste schüren. Das hilft mir, mitzumachen und mich trotzdem nicht unnötig zu sorgen. Deswegen würde ich auch anderen in meinem Alter empfehlen, mit mehreren Ärzten und Ärztinnen zu sprechen. Denn auch wenn ich meinen Ärzten und Ärztinnen vertraue und sie die Familie gut kennen, kann ihre Einschätzung zu einer Behandlung nicht mehr auf dem aktuellen Stand sein.

Zusätzlich ist es wichtig, sich selbst zu informieren. Wenn man selbst recherchiert, sollte man aber aufpassen und eine seriöse Quelle nutzen. Für mich wäre es wichtig, auch auf Social Media einen oder mehrere Kanäle zu kennen, denen ich vertrauen kann und wo ich bei konkreten Gesundheitsfragen nachschauen kann.

Cholesterinsenker sollten in der Schwangerschaft abgesetzt werden

Meine Hausärztin hat mich auch darauf hingewiesen, dass wir noch einmal über die Cholesterinsenker sprechen müssen, wenn ich schwanger werden will. Die Medikamente sollen anscheinend in der Schwangerschaft abgesetzt werden. Es gibt aber wohl Situationen, in denen es sinnvoll ist, sie trotzdem zu nehmen. Das ist für mich aber zurzeit überhaupt kein Thema, deswegen habe ich mich noch nicht damit befasst.

Dass wir alle vier Geschwister betroffen sind, hat auch Vorteile. Wir nehmen alle Cholesterinsenker und können uns austauschen: „Was für ein Statin nimmst du? Hat es bei dir gut funktioniert? Bei welcher Dosierung bist du?“

Mein ältester Bruder hat die höchsten Cholesterinwerte. Bei ihm wurden auch schon weiße Ablagerungen am Auge festgestellt – das ist eine typische Begleiterscheinung. Er hat mehrere Präparate probiert, bis die Cholesterinwerte effektiv gesenkt wurden.

Ich bin motiviert, gut auf mich zu achten

Im Nachhinein bin ich froh, dass bis jetzt nichts Ernsthaftes passiert ist. Ich hätte im schlimmsten Fall auch mit 30 Jahren einen bekommen können.

Ein erhöhter Cholesterinwert ist ja erst einmal keine Krankheit, sondern ein Risikofaktor. Und für mich ist es nichts, das mich ängstigt, sondern eher ein Antreiber. Es hat mich motiviert, schon in jungen Jahren auf mich zu achten. Ich sehe es als etwas Positives. Aber das ist natürlich auch eine Sache der Persönlichkeit.

Eine gesunde Ernährung, viel Sport, kein Rauchen und kein Alkohol – das hat mich vielleicht trotz hoher Fettwerte im Blut vor frühen Komplikationen bewahrt. Und auch wenn man es nicht schafft, die Empfehlungen zu hundert Prozent umzusetzen, helfen die Medikamente, die Blutfette und damit das Risiko für Erkrankungen zu senken.

Ernährungstipps bei erhöhtem Cholesterin sind widersprüchlich

Zu gesunder Ernährung und Nahrungsergänzungsmitteln bei erhöhten Cholesterinwerten sind die Informationen wirklich sehr widersprüchlich und verwirrend. Deswegen habe ich mich bei einer Ernährungsberaterin – der Mutter einer Freundin – erkundigt und halte mich seitdem im Wesentlichen an die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Das ist für mich seriös und ich weiß, woran ich bin.

Ich setze dabei mehr auf eine ausgewogene Ernährung als auf einzelne Präparate, die ausgleichen sollen, was nicht in Balance ist. Was ich mich bemühe umzusetzen: vor allem mit frischen Zutaten selbst kochen, viel Obst und Gemüse und wenig Hochverarbeitetes. Daran halte ich mich natürlich nicht perfekt – es ist eher eine grobe Richtlinie, die ich als hilfreich empfinde.

Aufwand und Nutzen der Behandlung sollten ausgewogen sein

Natürlich sollte man sich überlegen, was es für Auswirkungen hat, wenn man schon jung anfängt, ein Medikament zu nehmen. So lange Zeit Medikamente zu nehmen, bedeutet auch mögliche Nebenwirkungen – für mich überwiegt aber der Nutzen: Statt ohne Medikamente mit hohen Cholesterinwerten und einem erhöhten Risiko für einen frühen durchs Leben zu gehen, ziehe ich die lange Zeit mit Medikamenten vor. Ich komme damit gut zurecht, habe keine Nebenwirkungen und kann mit wenig Aufwand – einer Tablette täglich – hoffentlich Schlimmerem vorbeugen.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Über diese Seite

Erstellt am 19. März 2025

Nächste geplante Aktualisierung: 2028

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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