Die Ursache für meine Lungenembolie war vermutlich die Antibabypille

Foto von junger Lehrerin mit Tablet vor Whiteboard

Lea, 33 Jahre

„Mit Anfang 30 plötzlich so lebensbedrohlich zu erkranken, war ein Schock und hat sich richtig eingebrannt. Ich fühlte mich aus heiterem Himmel hilflos und ausgeliefert. Aber es hatte auch etwas Gutes: Ich bin heute dankbar und achte mehr auf meine Gesundheit.“

Eines Tages bekam ich plötzlich heftige stechende Schmerzen im Brustkorb links hinten. Ich dachte an einen eingeklemmten Nerv und ging am nächsten Tag zum Hausarzt. Er verschrieb mir starke Schmerzmittel und schrieb mich für eine Woche krank.

Es wurde aber nicht besser, im Gegenteil: Jedes Mal, wenn ich aufstand, wurde mir schlecht und ich bekam keine Luft mehr. Ich erklärte es mir damit, dass ich einen entzündeten Nerv hätte und deswegen weniger belastbar wäre. An die Lunge dachte ich gar nicht und erklärte mir die Atemnot mit der Heftigkeit der Schmerzen.

Ich versuchte, mich selbst zu beruhigen, und sagte mir, dass ich mich nur etwas ausruhen müsste, dann würde es bestimmt wieder gehen. Im Nachhinein denke ich, dass ich viel zu lange gewartet habe, obwohl es mir richtig schlecht ging.

Plötzlich ging es schnell: Krankenwagen, Klinik, Intensivstation

Die Atemnot wurde immer schlimmer, ich lag nur auf der Couch und schlief. Sobald ich mich bewegte, hatte ich Atemnot. Mein Arzt wollte mich zur Sicherheit noch mal sehen. Als ich aber aufstehen und zur Praxis gehen wollte, konnte ich nicht mal mehr aufrecht stehen und kippte sofort um. Ich musste meinen Freund anrufen, der mich in die Praxis begleitete.

Auf dem Weg zur Arztpraxis musste ich gestützt werden, ich kam kaum die Treppe hoch. Mein Hausarzt erfasste den Ernst der Lage und rief sofort den Krankenwagen. In der Klinik wurde ein gemacht, im Bericht stand: „Lungenembolie beidseits, zentral und peripher“ – es war eine ausgedehnte Lungenembolie, fast alle Lungengefäße waren dicht und die gesamte Lunge betroffen!

Ich kam sofort auf die Intensivstation, dort wurden die Gerinnsel in den Lungengefäßen über einen aufgelöst. Außerdem bekam ich Sauerstoff zum Inhalieren. Es war ein großer Schreck: Ich war voller Nadeln und Zugänge, überall standen Überwachungsmonitore und plötzlich war ich ein Notfall und befand mich in Lebensgefahr. Ich kam gar nicht mehr mit.

Ursache war eine Thrombose in den Beinen

Es wurde nach einer Thrombose gesucht, da ein solches Blutgerinnsel sehr oft eine Lungenembolie auslöst, wenn es sich löst und mit dem Blut in die Lungengefäße gelangt. Aber es war erst nichts zu sehen. Später hat man noch einmal gründlich die Beine mit Ultraschall untersucht und tatsächlich Reste einer Thrombose entdeckt.

Das Gerinnsel muss sehr groß gewesen sein, sich als Ganzes von der Beinvene abgelöst haben und auf dem Weg zur Lunge in viele kleine Gerinnsel zerfallen sein. So hatte es fast alle Gefäße in der Lunge verstopft und abgedichtet. Das Seltsame war, dass ich zum Zeitpunkt der Lungenembolie keine Zeichen einer Thrombose hatte – wie zum Beispiel Schmerzen, Schwellungen oder eine bläuliche Verfärbung in einem Bein.

Im Nachhinein erinnerte ich mich, dass das rechte Bein schon häufiger angeschwollen war, immer wieder mal zwischendurch. Aber das ging auch wieder weg und ich hatte mir nichts dabei gedacht.

Später wurde geforscht, warum ich so jung eine Thrombose bekommen hatte. Der Gentest zeigte aber keine vererbte Neigung. Ich hatte auch keine anderen Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, Diabetes oder andere chronische Erkrankungen. Es blieb der Verdacht auf die übrig, die ich in jungen Jahren zur Verhütung und wegen meiner Akne verschrieben bekommen hatte.

Bis ich mich belasten konnte, hat es viele Monate gedauert

Das Erstaunliche war, dass ich mich trotz der schweren Lungenembolie sehr schnell erholte: Schon nach der ersten Nacht brauchte ich keinen Sauerstoff mehr. Drei Tage später wurde ich auf die Normalstation verlegt, eine gute Woche später war ich zu Hause. Die Ärzte sagten, dass es mein Glück war, dass ich so jung und gesund war und keine schweren Vorerkrankungen hatte. So konnte mein Herz die Belastung gut abfangen und die Lunge sich schnell erholen.

Allerdings brauchte ich einige Monate, um wieder so belastbar zu sein wie vorher. Ich wohnte in der ersten Zeit bei meinen Eltern, weil ich mich allein in meiner Wohnung noch unsicher fühlte. Ich hatte Angst vor einer neuen Lungenembolie, war aber auch körperlich angeschlagen. Am Anfang konnte ich nicht so lange stehen und war schon nach 5 bis 10 Minuten außer Puste. Außerdem hatte ich Konzentrationsprobleme.

Sechs Wochen nach der Erkrankung fing ich wieder an zu arbeiten, als Lehrerin am Berufskolleg, und habe die Einschränkungen noch deutlich gemerkt. Der Job ist ja herausfordernd, man steht vorne und muss präsentieren, sich konzentrieren und den Lernstoff weitergeben. Aber auch flott gehen, wenn man den Unterrichtsraum wechseln und durchs Gebäude laufen muss. Ich kam in der ersten Zeit oft zu spät, weil ich die Treppen gar nicht so schnell hoch kam.

Richtig Sport konnte ich erst neun Monate nach der Lungenembolie machen. Vorher habe ich es gar nicht versucht, weil schon Alltagsbelastungen wie Spazierengehen, Treppensteigen oder Einkaufen sehr herausfordernd waren.

Gerinnungshemmer und Thrombosestrümpfe zur Vorbeugung

In den ersten sechs Monaten nach der habe ich täglich Gerinnungshemmer eingenommen. Die sollten verhindern, dass ich eine weitere Lungenembolie bekomme. Außerdem trug ich Kompressionsstrümpfe – in der ersten Zeit Tag und Nacht, später nur noch den halben Tag und irgendwann nur noch nachts.

Auch heute achte ich darauf, mich viel zu bewegen und kein Risiko einzugehen. Auf längeren Flugreisen trage ich Thrombosestrümpfe und nehme einmalig vor der Reise eine Tablette mit einem Gerinnungshemmer.

Ich hatte Angst vor Blutungen, fühlte mich aber auch geschützt

Während ich täglich Gerinnungshemmer nahm, musste ich aufpassen, dass ich mich nicht verletzte. Das Risiko für eine schwere Blutung ist ja unter Gerinnungshemmern größer. In der Zeit hatte ich häufiger blaue Flecken und blutete bei Schnittverletzungen länger. Ich hatte schon Respekt und habe mehr aufgepasst.

Auf der anderen Seite war es aber beruhigend zu wissen: Es gibt Medikamente, die etwas so Schlimmes wie eine neue Lungenembolie verhindern oder ihr zumindest vorbeugen können.

So ernst zu erkranken, war sehr beängstigend

Das Erlebnis, aus völliger Gesundheit mit Anfang 30 plötzlich so etwas Ernstes zu haben, war schon ein Schrecken für mich und hat sich bei mir richtig eingebrannt. Auch heute noch, nach fast eineinhalb Jahren, fällt es mir schwer, darüber zu sprechen.

Mich aus heiterem Himmel so hilflos und ausgeliefert zu fühlen – das kannte ich vorher nicht. Es ist auch noch nicht weg, ich habe immer noch Ängste: Ich achte darauf, ob meine Beine dick werden, anschwellen oder sich blau verfärben. Bei Atemnot, Schmerzen im Brustkorb oder bei Seitenstechen frage ich mich immer, ob es normal ist. Da kommt sofort der Gedanke: „Es geht wieder los, schon wieder eine Lungenembolie.“

Ich möchte auf jeden Fall früher zum Arzt gehen als beim letzten Mal, falls es so weit kommt – mich auf der anderen Seite aber auch nicht verrückt machen. Die Angst hat ja auch etwas Positives: Sie schützt mich, weil ich aufpasse und nichts übersehe. Aber es ist Arbeit – die Gefühle kommen hoch, mit der Vernunft ordne ich sie dann ein und beruhige mich wieder.

Ich hätte mir mehr Aufklärung zum Thromboserisiko der Pille gewünscht

Mich hat im Nachhinein schon erstaunt, dass ich so wenig über das Thromboserisiko aufgeklärt wurde, als mir meine Frauenärztin die verschrieb. Klar habe ich mir die Packungsbeilage mit den Nebenwirkungen durchgelesen. Aber als junges Mädchen habe ich das gar nicht mit mir in Zusammenhang gebracht. „Thrombosen haben nur alte Menschen mit irgendwelchen Venenproblemen“, war mein Gedanke.

Heute bin ich dankbar für meine Gesundheit und treibe mehr Sport

Heute bin ich sehr dankbar, dass ich mich so gut davon erholen konnte. Ich bin jetzt umsichtiger mit meinem Körper und nehme Beschwerden ernst. Außerdem achte ich mehr auf meine Gesundheit und mache regelmäßig Ausdauersport.

Genauso toll war für mich, zu merken, dass alle Menschen um mich im Ernstfall für mich da sind: mein Freund, der mich in die Arztpraxis brachte, viele Freunde, die ins Krankenhaus zu Besuch kamen, und meine Eltern, die komplett für mich da waren. Früher ging ich ungerne zu Ärzten, wollte selbstständig sein und musste immer alles selbst schaffen und möglichst wenig um Hilfe fragen. Das ist heute anders.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Über diese Seite

Erstellt am 19. Juni 2024

Nächste geplante Aktualisierung: 2027

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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