Die Medikamente nehme ich immer noch ein. Vor etwa zwei Jahren habe ich mich entschieden, mal zu prüfen, ob ich die Tabletten noch brauche und habe sie abgesetzt. Zunächst ging das sehr gut. Es hat sich durch das Absetzen erst mal nichts verändert: Weder ist mein Zustand schlechter noch besser geworden. Aber etwa ein dreiviertel Jahr später war ich im Urlaub außerhalb Europas und ich vermute, dass ich auch durch die Verschiebung der Schlafphasen innerhalb weniger Stunden wieder voll in der Depression war. Ich saß im Hotelzimmer und habe geheult und wollte nicht vor die Tür gehen, weil mir alles bedrohlich erschien. Ich hatte Angst, mich an diesem fremden Ort nicht zurechtzufinden. Anschließend habe ich etwa acht Wochen gebraucht, um wieder den Zustand vor Absetzen der Medikamente zu erreichen.
Gott sei Dank hat das alte Medikament wieder angeschlagen. Das ist nicht immer so. Ich habe erst dadurch wirklich begriffen, dass Depressionen auch eine körperliche Erkrankung sind. Im Gehirn läuft da etwas nicht rund. Jetzt nehme ich die Medikamente wieder regelmäßig wie verordnet. Ich vertrage die Medikamente sehr gut und habe keine Nebenwirkungen. Meine Ärztin verschreibt mir die Tabletten und wir machen regelmäßig Blutuntersuchungen, um zum Beispiel die Leberwerte zu kontrollieren.
Zum Arzt zu gehen, wenn man den Verdacht auf eine Depression hat, ist oft sehr schwer. Manchmal hilft es aufzuschreiben, wie es einem geht, wie man sich fühlt, welche Sorgen man hat, wie man schläft. Wenn man es nicht erzählen kann, kann man das Aufgeschriebene seinem Arzt geben. Es ist oft schwierig, beim Arzt in Worte zu fassen, wie es einem geht, und der Arzt kommt dann manchmal nicht auf die richtige Idee. Weiter finde ich es sehr wichtig, mit dem Partner und den Freunden darüber zu reden. Und nicht zu versuchen, schwer depressive Zustände auszuhalten. Es muss darüber gesprochen werden, denn nur dann kann man sie behandeln.
Ich finde es sehr schön ausgedrückt, wenn man Depressionen als eine Erkrankung der „Losigkeiten“ ausdrückt: Hoffnungslosigkeit, Gefühllosigkeit und so weiter. Es fehlt einem wirklich alles: die Fähigkeit, sich an etwas zu erfreuen und die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen, ist teilweise völlig verlorengegangen. Man lebt in einer grauen, bedeutungslosen, unattraktiven Welt. Ich habe oft gehört: „Was hat er denn, er hat einen Beruf, verdient ausreichend Geld, hat eine attraktive Frau, zwei tolle Kinder, eine Doppelhaushälfte, ein Auto – was will er denn?!“ Viele glauben, Depressionen sind eine Sinnkrise. Das ist schräg und völlig daneben. Depressionen sind auch eine körperliche Erkrankung. Durch die Depression verliert man das Gefühl und damit alles, was einem das Leben schön macht.