Viele gesundheitliche Entscheidungen lassen sich ohne besondere Suche nach Informationen treffen. Wenn eine Abwägung komplizierter ist, wird verlässliches Wissen über verschiedene Behandlungsmöglichkeiten aber wichtig. Wir haben Fragen zusammengestellt, die Ihnen helfen können, Klarheit zu gewinnen.
Frage 1: Mit welcher Krankheit oder welchem Gesundheitsproblem habe ich es genau zu tun?
Wenn Sie sich nicht sicher sind, mit welcher Erkrankung oder Behandlung Sie es zu tun haben, können Sie bei Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt genauer nachfragen. Ärzte haben eine Aufklärungspflicht. Das heißt, sie müssen umfassend über eine Erkrankung und alle Behandlungsmöglichkeiten informieren. Dazu gehören auch Informationen über die Wirkungen und Nebenwirkungen einer Therapie.
Oft helfen auch medizinische Fachbegriffe, die Sie etwa bei einer Suche im Internet einsetzen können, um an mehr Informationen zu gelangen. Achten Sie aber darauf, den richtigen Begriff zu verwenden: Der Fachbegriff für Bluthochdruck ist zum Beispiel Hypertonie – leicht zu verwechseln mit Hypotonie, dem Begriff für niedrigen Blutdruck.
Frage 2: Welche Folgen hat die Krankheit?
Die Antwort auf diese Frage ist sehr wichtig, wenn man sich für eine Behandlung entscheiden möchte. Denn wenn eine Krankheit innerhalb von sieben Tagen von selbst ausheilt, die Behandlung diese Zeit aber nur um einen halben Tag verkürzt, kann man geteilter Meinung sein, ob sich die Behandlung lohnt. Ein Beispiel: Menschen mit einer akuten Nasennebenhöhlenentzündung sind meistens innerhalb von zwei Wochen wieder gesund – unabhängig davon, ob sie Medikamente einnehmen oder nicht.
Der Fachbegriff dafür, wie eine Erkrankung wahrscheinlich verlaufen wird, heißt Prognose. Eine Prognose kann zwar nicht sicher vorhersagen, was passieren wird. Denn Menschen reagieren auf Krankheiten und Behandlungen sehr unterschiedlich. Eine zuverlässige Prognose verrät aber zumindest, wie sich eine Krankheit normalerweise entwickelt.
Im Idealfall finden Sie Informationen darüber, wie die Krankheit bei Menschen mit vergleichbaren Begleitumständen verläuft. Dies können Menschen sein, die
- ungefähr in Ihrem Alter sind,
- dasselbe Geschlecht haben,
- in einem ähnlichen Krankheitsstadium sind (leicht oder schwer erkrankt),
- einen vergleichbaren allgemeinen Gesundheitszustand haben wie Sie (zum Beispiel ansonsten gesund oder mehrfach erkrankt).
Frage 3: Welche Behandlungsmöglichkeiten habe ich?
Um herauszufinden, welche Therapien infrage kommen, sind folgende Fragen wichtig:
- Was kann ich selbst tun?
- Ist eine medikamentöse Behandlung nötig? Welche Medikamente gibt es (rezeptpflichtige, frei verkäufliche)?
- Welche nichtmedikamentösen Behandlungen gibt es?
- Kommt eine Operation oder ein anderer Eingriff infrage?
- Welche Kosten werden von meiner Krankenkasse übernommen?
Viele Menschen interessieren sich auch für sogenannte alternativ- oder komplementärmedizinische Behandlungen. Dabei stellen sich dieselben Fragen – es gelten also dieselben Maßstäbe und Anforderungen wie für andere Therapien.
Auch praktische Informationen sind hilfreich:
- Wo kann ich die Behandlung erhalten?
- Wie viel Zeit wird sie beanspruchen?
- Was könnte sie kosten?
- Wie sehr schränkt sie mein alltägliches Leben ein?
Frage 4: Was sind die Vor- und Nachteile der Behandlungen, die infrage kommen?
Alle Behandlungen können Nebenwirkungen haben, auch wenn es oft nur leichte sind. Um den Nutzen und Schaden einer Behandlung abwägen zu können, sind folgende Fragen hilfreich:
- Wie wahrscheinlich ist es, dass mir die Behandlung überhaupt nützt?
- Wie groß ist der Nutzen der Behandlung: Werde ich nur eine leichte Besserung spüren oder könnte ich wieder ganz gesund werden?
- Wie wahrscheinlich ist es, dass die Behandlung unerwünschte Wirkungen hat?
- Wie groß könnte der Schaden der Behandlung sein? Was ist zum Beispiel die niedrigste Dosis, mit der das Medikament mir noch hilft und bei der nur geringe Nebenwirkungen zu erwarten sind?
- Wann wird die Wirkung eintreten und wie lange hält sie an? Zu welcher Tageszeit muss ich mit Nebenwirkungen rechnen?
- Können andere Therapien, die ich anwende, die Behandlung beeinflussen (etwa rezeptfreie Medikamente, aber auch Nahrungsergänzungsmittel)?
- Kann die Behandlung meinen Alltag beeinträchtigen – zum Beispiel die Konzentrationsfähigkeit herabsetzen oder eine längere berufliche Auszeit nötig machen?
Frage 5: Wie gut sind die Behandlungen wissenschaftlich untersucht?
Behandlungen können schon lange bekannt sein und angewendet werden. Ihre Wirkungen sind dann in der Regel gut erforscht. Vielleicht gelten sie auch als Standard. Das heißt, man vergleicht neue Behandlungen mit dieser bekannten und bewährten Therapie. Oder aber sie sind noch neu und es fehlen Langzeiterfahrungen.
Wenn beispielsweise ein Arzneimittel seit weniger als fünf Jahren auf dem Markt ist, gilt es als relativ neue Behandlung. Dann ist über seine Nebenwirkungen meist noch nicht viel bekannt – besonders bei Menschen mit mehreren Erkrankungen. Bei vielen Krankheiten ist das Wissen über Nutzen und Nebenwirkungen ihrer Behandlungen noch nicht vollständig. Oft erfahren Sie aber, wie verlässlich das vorhandene Wissen ist.
Wenn Sie mehr Informationen benötigen, sprechen Sie mit Ihrer Ärztin, Ihrem Arzt, einer anderen medizinischen Fachkraft oder fragen Sie in der Apotheke nach. Wenn Sie neue Informationen gefunden haben, kann es hilfreich sein, die für Sie wichtigen Fragen ein weiteres Mal mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt zu besprechen.
Sie können sich zusätzlich bei einer zweiten Ärztin oder einem zweiten Arzt beraten lassen. Eine weitere Meinung – die sogenannte Zweitmeinung – gibt oft mehr Sicherheit. Dies gilt vor allem, wenn es um eine schwere Erkrankung, eine Operation, eine komplizierte Entscheidung oder ein seltenes Gesundheitsproblem geht.
Auch der Austausch mit anderen Betroffenen oder in Familie und Freundeskreis kann helfen zu klären, was Ihnen wichtig ist. Sie können sich auch an eine Patientenberatungsstelle oder an andere Patientenorganisationen wenden. Jede Entscheidung in Gesundheitsfragen ist aber letztlich eine sehr persönliche: Was für andere richtig ist, muss nicht auch für Sie die beste Wahl sein.
Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds). Gesundheitsbezogene Internetnutzung in Deutschland 2007. 2008.
Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (DNEbM). Gute Praxis Gesundheitsinformation. Ein Positionspapier des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. 2016.
Krones T, Richter G. Die Arzt-Patient-Beziehung. In: Schulz S, Steigleder K, Fangerau H et al. (Ed). Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. Frankfurt: Suhrkamp; 2006.
Lenz M, Buhse S, Kasper J et al. Entscheidungshilfen für Patienten. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(22-23): 401-408.
Sänger S, Diercks ML. Kritische Bewertung von Gesundheitsinformationen für medizinische Laien. In: Kunz R, Ollenschläger G, Raspe H et al. (Ed). Lehrbuch evidenzbasierte Medizin in Klinik und Praxis. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag; 2007.
Scheibler F, Schwantes U, Kampmann M et al. Shared decision-making. GGW 2005; 1: 23-31.
Stacey D, Légaré F, Lewis K et al. Decision aids for people facing health treatment or screening decisions. Cochrane Database Syst Rev 2017; (4): CD001431.
IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.
Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.
Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.
So halten wir Sie auf dem Laufenden
Abonnieren Sie unseren Newsletter oder Newsfeed. Auf YouTube finden Sie unsere wachsende Videosammlung.