Depressionen nach der Geburt – was kann helfen?

Foto von junger Frau mit Depressionen nach der Geburt

Nach der Geburt können sich – bei aller Freude über das Kind – auch Erschöpfung, Traurigkeit und ein Gefühl der Überforderung einstellen. Bei einem kurzen „Babyblues“ helfen Entlastung und Unterstützung. Hält die Niedergeschlagenheit länger als zwei Wochen an, kann das ein Zeichen für eine Wochenbett-Depression sein. Sie kann behandelt werden.

Ein Neugeborenes zu umsorgen, ist schön, aber auch anspruchsvoll. Den Alltag anzupassen und sich auf das neue Leben einzustellen, braucht seine Zeit. Hinzu kommen Schlafmangel, die körperliche Umstellung nach der Schwangerschaft und manchmal auch zusätzliche Belastungen, zum Beispiel, wenn das Geld knapp ist. Neben vielen positiven Gefühlen sind deshalb gerade in den ersten Wochen nach der Geburt Stimmungsschwankungen und Reizbarkeit völlig normal.

Ein solcher Babyblues dauert meist nur wenige Tage an und geht von selbst vorüber, wenn sich der Alltag einspielt. Wird die gedrückte Stimmung aber zu einer anhaltenden , kann sie das eigene Wohlbefinden und das Verhältnis zum Kind sehr belasten. Es ist deshalb wichtig, längere tiefe Traurigkeit und Stimmungsschwankungen nach der Geburt ernst zu nehmen und sich Unterstützung zu holen.

Eine nach der Geburt eines Kindes wird auch als Wochenbett-Depression oder postpartale bezeichnet.

Woran erkennt man eine Wochenbett-Depression?

Bei einer Wochenbett-Depression sind die negativen Gefühle deutlich stärker als bei einem vorübergehenden Babyblues. Typische Anzeichen für eine Wochenbett-Depression sind:

  • ein anhaltendes Stimmungstief (tiefe Traurigkeit, häufiges Weinen)
  • Gleichgültigkeit gegenüber Dingen, die normalerweise Freude bereiten
  • Ängstlichkeit
  • Schlafstörungen
  • Appetitlosigkeit
  • Konzentrationsstörungen
  • Selbstzweifel
  • Grübeln
  • Gedanken an Selbstverletzung oder daran, dem Baby zu schaden

Von einer wird erst gesprochen, wenn diese Beschwerden mindestens zwei Wochen anhalten.

Bis zu 15 von 100 Frauen bekommen in den ersten drei Monaten nach der Geburt eine . Bei manchen ist sie leicht ausgeprägt, bei anderen stärker.

Ohne Behandlung dauert eine Wochenbett-Depression meist 4 bis 6 Monate. Manche Symptome können auch noch nach einem Jahr fortbestehen. Bei Frauen, die keine Behandlung in Anspruch nehmen, besteht eher die Gefahr, dass die länger andauert.

Was unterscheidet eine Wochenbett-Depression von einer „normalen“ Depression?

Eine Wochenbett-Depression unterscheidet sich in ihren Symptomen kaum von einer Depression in anderen Lebensphasen. Einen großen Unterschied gibt es jedoch: Die Mütter empfinden oft starke Schuldgefühle gegenüber ihrem Baby. Sie machen sich Sorgen, weil es ihnen schwerfällt, sich um ihr Kind zu kümmern. Sie können oft nicht einfühlsam auf das Kind reagieren. Viele trauen sich nicht, mit anderen über ihre Gefühle zu sprechen, und haben Angst, nicht dem Bild einer „guten Mutter“ zu entsprechen. Dies kann dazu führen, dass sie sich zunehmend zurückziehen. Einige Frauen berichten, dass sie sich selbst fremd wurden.

Manche Frauen fühlen sich so schlecht, dass sie gar nicht in der Lage sind, sich um Hilfe zu bemühen. Dann ist es gut, wenn andere – etwa die Ärztin oder Hebamme, der Partner oder Freundinnen – erkennen, was vor sich geht, und für mehr Unterstützung sorgen.

Was kann eine Wochenbett-Depression auslösen?

Mutter zu werden, kann phasenweise schwierig und fordernd sein, körperlich wie seelisch. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn manche Frauen nach einiger Zeit auf Probleme und Überforderung mit einer reagieren.

Frauen erkranken häufiger an einer Wochenbett-Depression, wenn sie

  • schon einmal Angststörungen oder Depressionen hatten,
  • Stress und belastende Erlebnisse während der Schwangerschaft und nach der Geburt hatten oder haben oder
  • in einer unglücklichen Beziehung oder nicht in einer Partnerschaft leben, häusliche Gewalt erfahren und allgemein wenig soziale Unterstützung haben.

Welchen Einfluss die hormonellen Veränderungen nach der Geburt haben, ist noch unklar.

Ist eine Wochenbett-Depression gefährlich?

Normalerweise ist eine Wochenbett-Depression nicht gefährlich. Sie ist jedoch sehr belastend für eine Mutter und kann auch die Beziehung zum Kind beeinträchtigen – vor allem, wenn es der Mutter schwerfällt, auf die Bedürfnisse ihres Kindes zu reagieren.

Es ist auch nicht ungewöhnlich, Zwangsgedanken zu entwickeln. Manche Mütter denken beispielsweise daran, ihrem Kind zu schaden – dabei würden es die allermeisten nie tun. Dennoch macht allein der Gedanke Angst und kann zum Beispiel dazu führen, dass sie sich nicht mehr trauen, das Kind allein zu baden. Dann kann das Wissen entlasten, dass solche Gedanken meist nicht in Taten umgesetzt werden.

Bei einer starken besteht die Gefahr, dass sie über lange Zeit anhält. Selten kommt es dann zum Versuch, sich selbst zu töten (Suizid). Dies ist gerade während der Stillzeit zwar die Ausnahme – aber jeder Mensch, der ernsthaft über eine Selbsttötung nachdenkt, braucht dringend medizinische und psychotherapeutische Hilfe.

Nach einer Geburt kann eine weitere ernsthafte Erkrankung auftreten, die Wochenbett-Psychose oder „postpartale Psychose“. Diese psychische Erkrankung ist selten, sie kommt bei etwa 1 von 1000 Frauen vor. Das Risiko ist jedoch für Frauen höher, die bereits eine manisch-depressive Erkrankung (bipolare Störung) hatten.

Menschen, die eine Psychose entwickeln, bekommen Wahnvorstellungen. Sie verlieren den Bezug zur Wirklichkeit und haben Halluzinationen. Manche entwickeln einen Verfolgungswahn, andere fallen durch unangemessenes Verhalten, wirre Äußerungen oder extreme Stimmungswechsel auf. Bei einem Verdacht auf eine Psychose ist schnelle psychiatrische Hilfe sehr wichtig.

Lässt sich einer Wochenbett-Depression vorbeugen?

Studien zeigen, dass fachkundige Unterstützung helfen kann, Wochenbett-Depressionen gar nicht erst entstehen zu lassen. Hilfreich sind regelmäßige Hausbesuche von Hebammen oder speziell ausgebildeten Pflegekräften. Auch eine psychotherapeutische Begleitung kann dazu beitragen, dass sich die Stimmung nicht verschlechtert.

In Studien wurde untersucht, ob diese Art der Unterstützung Frauen helfen kann, die ein erhöhtes Risiko für Depressionen haben – zum Beispiel wegen früherer Depressionen oder einer schwierigen Schwangerschaft mit einer Frühgeburt. Die Unterstützung begann in den Studien zum Teil bereits während der Schwangerschaft. Die Ergebnisse zeigen:

  • Am Ende der Unterstützungsprogramme wurde bei etwa 3 von 100 Teilnehmerinnen eine festgestellt.
  • Dagegen wurde bei etwa 7 von 100 Frauen eine festgestellt, die nicht an einem Unterstützungsprogramm teilgenommen hatten.

Die Programme konnten also bei einigen Frauen einer vorbeugen – sie aber nicht immer verhindern.

In Deutschland gibt es die sogenannten Frühen Hilfen, die Schwangere und Eltern unterstützen, die besonders belastet sind. Dazu zählen unter anderem Mütter, die kaum Unterstützung durch andere bekommen, oder Paare, die bei der Versorgung des Kindes sehr unsicher sind. Die „Frühen Hilfen“ sind kostenlos und umfassen beispielsweise die Begleitung durch eine Familienhebamme oder Eltern-Treffs. Hier findet sich ein kurzes Video zu dem Angebot.

Helfen Beratung und Psychotherapie bei einer Wochenbett-Depression?

Bei einem Babyblues oder einer leichten kann es ausreichen, wenn die Mutter mehr emotionale Unterstützung und praktische Hilfe im Alltag erhält. Dabei ist es sehr wichtig, dass die unterstützenden Personen Verständnis zeigen und Mut machen. Vielleicht hilft es auch, mit anderen Frauen zu sprechen, die dieselbe Erfahrung gemacht haben – zum Beispiel im Bekanntenkreis oder in Selbsthilfegruppen.

Besonders bei einer mittleren oder starken ist medizinische oder psychologische Hilfe jedoch wichtig. Sie soll unter anderem das Selbstwertgefühl stärken und die Beziehung zum Kind verbessern. Die Forschung hat herausgefunden, dass es vielen Frauen zumindest etwas besser geht, wenn sie von ausgebildeten Psychotherapeutinnen oder -therapeuten und geschulten Beratungskräften unterstützt wurden.

Zu den wirksamen Verfahren gehören:

  • die kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Dabei arbeitet man mit einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten an Gedanken, Überzeugungen und Verhaltensweisen, die einem das Leben erschweren.
  • die interpersonelle Psychotherapie: Dabei wird der Schwerpunkt auf die aktuellen Lebensumstände und Beziehungen gelegt. Das Ziel ist, eine persönliche Strategie zu entwickeln, die im Alltag helfen kann, mit Belastungen umzugehen.
  • eine Eltern-Säugling-Kleinkind-Psychotherapie (ESKP): Diese zielt darauf ab, die Eltern-Kind-Beziehung zu verbessern und die kindliche Entwicklung zu fördern. Studien deuten darauf hin, dass sich dadurch auch depressive Symptome lindern lassen. Es braucht aber noch mehr Forschung dazu, wie sich die längerfristig auswirkt.

Auch die psychologische und praktische Unterstützung durch Hebammen und Pflegekräfte kann sich positiv auswirken. Zudem können auch andere Mütter wichtige Unterstützung leisten.

Können Medikamente helfen?

Antidepressiva können Depressionen nach einer Geburt lindern. Sie kommen aber meist nur infrage, wenn die Beschwerden so stark sind, dass die Unterstützung durch Angehörige und Freundeskreis oder eine Psychotherapie allein nicht ausreichend hilft. Die Wahl des Medikaments kann davon abhängen, welche Beschwerden im Vordergrund stehen – ob eher Erschöpfung und Antriebsminderung oder Unruhe und Schlafstörungen.

Das pflanzliche Mittel Johanniskraut kann bei manchen Menschen leichtere Depressionen lindern. Ob es auch während einer Schwangerschaft und in der Stillzeit hilft und welche Nebenwirkungen es dann haben kann, ist bisher kaum untersucht. Zudem sind Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten möglich: Die Einnahme von Johanniskraut kann zum Beispiel dazu führen, dass die Pille oder andere hormonelle Verhütungsmittel nicht mehr so gut wirken.

Können Medikamente gegen Depressionen dem Kind schaden?

Wer in der Schwangerschaft oder Stillzeit nimmt, sollte mit der Ärztin oder dem Arzt genau besprechen, worauf zu achten ist. Die meisten sind ungefährlich für das Kind – werden aber vorsichtshalber möglichst niedrig dosiert. Denn über die Muttermilch können kleine Mengen des Wirkstoffs an das Baby weitergegeben werden und unter Umständen zu Nebenwirkungen führen. Vereinzelt wurde beispielsweise über Unruhe oder Benommenheit bei Kindern berichtet, deren Mütter bestimmte nahmen. Diese Symptome verschwanden nach einem Umstieg auf Flaschennahrung. Es ist auch möglich, die Dosis zu verringern oder das Medikament zu wechseln.

Gibt es noch weitere Behandlungsmöglichkeiten?

Es gibt eine Vielzahl anderer Behandlungen und Maßnahmen, die Frauen bei einer Wochenbett-Depression ausprobieren können. Sport und Bewegung können depressive Beschwerden lindern. Dazu zählt vor allem Ausdauersport wie Radfahren, Walken oder Schwimmen. Auch regelmäßiges Gehen kann sich schon positiv auswirken. Studien deuten darauf hin, dass auch Yoga einen Effekt auf eine Wochenbett-Depression haben kann.

Ob Omega-3-Fettsäuren wirksam sind, ist unklar: Sie wurden in mehreren Studien untersucht, aber ohne eindeutiges Ergebnis.

Andere Maßnahmen wie Massagen, und Lichttherapie sind bislang nicht gut genug untersucht worden, um sagen zu können, ob sie helfen oder nicht. Bei der Lichttherapie verbringt man mit offenen Augen eine bestimmte Zeit in der Nähe einer speziellen Lampe, sodass deren Licht auf die fällt.

Wo finden Frauen und Familien Hilfe?

Menschen mit Depressionen fällt es oft schwer, andere um Hilfe zu bitten. Auch ihre nächsten Angehörigen fühlen sich oft hilflos und wissen nicht, an wen sie sich wenden können. Meist gibt es aber Menschen im persönlichen Umfeld oder auch professionelle Helferinnen und Helfer, die viel Verständnis haben und dabei unterstützen, mit der schwierigen Situation zurechtzukommen.

Eine erste Anlaufstelle kann die Hausarztpraxis sein, aber auch eine gynäkologische oder psychotherapeutische Praxis. Ein Erstgespräch in einer psychotherapeutischen Praxis ist ohne ärztliche Überweisung oder Antrag bei der Krankenkasse möglich. In der psychotherapeutischen Sprechstunde kann man sich zu seinen Problemen beraten und einschätzen lassen, ob eine Psychotherapie hilfreich wäre.

Auch Schwangerschafts- und Familienberatungsstellen bieten Unterstützung nach der Geburt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hilft, Beratungsstellen in der Nähe zu finden. Auf der Internetseite elternsein.info gibt es Informationen zum Alltag mit dem Kind – auch zu negativen Gefühlen nach der Geburt. Der Verein „Schatten & Licht e. V.“ informiert auf seiner Internetseite ausführlich zu psychischen Erkrankungen rund um die Geburt und über Hilfsangebote.

Viele Frauen, die einmal eine Wochenbett-Depression hatten, haben Angst, dass sie nach der Geburt eines weiteren Kindes erneut depressiv werden. Für sie ist es wichtig, sich während der Schwangerschaft gut auf die erste Zeit mit dem Kind vorzubereiten. Mit einer ärztlichen Begleitung und guter Unterstützung des Umfelds ist es möglich, einer erneuten Wochenbett-Depression vorzubeugen.

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Aktualisiert am 28. Juni 2023

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