Das Gute an Zöliakie ist, dass man sie nur mit Diät behandeln kann

Foto von Tochter und Mutter

Mutter Lisa und Tochter Lena, 42 Jahre und 7 Jahre

„Statt Unverträglichkeit sage ich lieber, man reagiert schon auf Spuren von Gluten mit einer Entzündung und Immunreaktion. Gerade Laien denken sonst, dass man ein bisschen Gluten vertragen kann und nur große Mengen Probleme machen.“

Die ersten Beschwerden hatte Lena vor einem Dreivierteljahr. Sie bekam akute Bauchschmerzen und Durchfall, wir dachten an einen Magen-Darm-Virus. Das Seltsame war nur, dass die Beschwerden ungefähr alle zwei Wochen wiederkamen.

Leider wurde es nicht besser, irgendwann hatte sie jeden Morgen vor der Schule Bauchschmerzen. Als wir noch einmal zur Kinderärztin gingen, hatte sie viel Luft im Bauch, ansonsten war aber alles unauffällig.

Und uns fiel ein, dass sie schon immer einen Blähbauch hatte. Nur gingen alle davon aus, dass sie einen empfindlichen Darm hat und zu Blähungen neigt. Zusätzlich hatte sie schon immer gelegentlich Kopfschmerzen. Beides haben wir aber gar nicht miteinander in Verbindung gebracht.

Der Bluttest auf Zöliakie war so eindeutig, dass keine Darmbiopsie nötig war

Ich bin dankbar, dass unsere Kinderärztin nicht nachgelassen hat und weiter geforscht hat: „Wenn etwas ist, finden wir es heraus. Wir sagen jetzt nicht, die Bauchschmerzen sind bestimmt psychisch. Wir suchen weiter“.

Neben anderen Untersuchungen wurden auch bestimmte im Blut geprüft, die bei Zöliakie erhöht sind. Und tatsächlich: Der Wert war um mehr als das Zehnfache erhöht! Damit war die so eindeutig, dass nicht mal eine Magenspiegelung mit Gewebeprobe vom gemacht werden musste.

Sechs Monate glutenfreie Ernährung waren erfolgreich

Nach sechs Monaten glutenfreier Ernährung wurden die Blutwerte kontrolliert und das Ergebnis ist motivierend: Der Antikörper-Wert ist deutlich gesunken. Er ist noch nicht im Normbereich, aber wir wissen jetzt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

In drei Monaten haben wir die nächste Kontrolle. Danach kann Lena hoffentlich anfangen, glutenfreien Hafer zu essen. Den darf man als Zöliakie-Patientin mit in die Ernährung einbauen, wenn die Blutwerte wieder normal sind.

Die Ernährungsberatung war wichtig

In der Ernährungsberatung am Anfang haben wir die Grundlagen erfahren, vor allem wie man sich glutenfrei ernährt und in welchen Getreidesorten Gluten enthalten ist. Es ist ja nicht nur Weizen, sondern auch zum Beispiel Dinkel, Gerste oder Roggen.

Neu war uns, in wie vielen Fertigprodukten Gluten als Ersatz- oder Zusatzstoff enthalten ist, zum Beispiel in Fertigsaucen oder Gummibärchen. Selbst Pommes können Gluten enthalten, wenn sie mit Mehl ummantelt werden.

Deswegen haben die ersten Einkäufe sehr lange gedauert. Ich habe die Zutatenlisten lange studiert.

Der Alltag hat sich verändert, aber man kann sich darauf einstellen

Dass Lena Zöliakie hat, war für mich schon hart, mir war erst einmal zum Heulen zumute. Sie hat mir leidgetan und ich hätte es ihr gerne abgenommen. Ich habe daran gedacht, dass sie später als Jugendliche oder Erwachsene nie unbeschwert im Restaurant sitzen und mit Anderen essen wird.

Heute weiß ich, wenn man sich darauf einstellt und immer etwas zu essen dabeihat, geht es. In der ersten Zeit saß ich stundenlang am Handy und habe gelesen, was man essen darf und was nicht.

Mir wurde eine Sache klar: Das größere Problem ist nicht, auf Gluten zu verzichten, sondern die Kontamination.

Schon Spuren von Gluten machen Probleme

Gerade in Restaurants, bei Freunden oder in der Schule verstehen viele nicht, dass sie penibel darauf achten müssen, auch über Geschirr, Besteck und Kochutensilien kein Gluten zu verteilen.

Klar kann Lena Obst essen, da ist ja kein Gluten drin. Aber wenn die Mutter der Freundin das Obst auf demselben Holzbrettchen schneidet wie vorher das Brot, kann sie es nicht essen. Selbst nach dem Spülen bleiben Reste von Gluten in den Rillen des Brettchens. Dasselbe gilt für Waffeleisen, Toaster oder Handrührgeräte.

Nach der Ernährungsumstellung waren die Beschwerden deutlich besser

Die Beschwerden von Lena haben sich auf jeden Fall gebessert, schon relativ schnell. Sie hat zwar ab und zu noch Bauchschmerzen, aber bei Weitem nicht so oft wie vorher. Und Kopfschmerzen hatte sie die letzten sechs Monate gar nicht. Auch im Ultraschall bei der Kinderärztin konnte man sehen, dass im Bauch viel weniger Luft war als vorher.

Für mich ist das sehr viel Zeitaufwand. Ich arbeite nur halbtags, eigentlich wollte ich kurz vor der aufstocken und wieder mehr arbeiten. Aber jetzt habe ich mich bewusst dagegen entschieden.

Ich möchte meiner Tochter eine gesunde Ernährung bieten und möglichst viel frisch kochen und backen.

Wir sind zuhause komplett glutenfrei

Wir haben uns zu Hause umgestellt und kochen komplett glutenfrei für alle. So haben wir nicht das Problem, dass wir zwei verschiedene Gerichte kochen und alles getrennt aufbewahren müssen. Und Lena soll zumindest zu Hause entspannt sein und bei allem zugreifen können, worauf sie Lust hat.

Zöliakie bedeutet auch eine zusätzliche finanzielle Belastung, denn es ist viel teurer, sich glutenfrei zu ernähren. Es gibt aber die Möglichkeit, einen Grad der Behinderung von 20 zu beantragen. So bekommt man zumindest Steuervergünstigungen, um die Mehrkosten abzufangen.

Unverträglichkeit wird oft falsch verstanden

Was vielen auch nicht klar ist, dass bei Zöliakie schon kleinste Mengen eine Immunreaktion auslösen. Wenn ich das Freunden oder Außenstehenden im Restaurant erkläre, schauen mich viele schräg an und denken, ich übertreibe.

Ich weise auch noch mal daraufhin, dass Zöliakie nicht einfach eine Unverträglichkeit im herkömmlichen Sinne ist – auch wenn das der korrekte medizinische Ausdruck ist. Sondern wirklich eine Erkrankung des Immunsystems.

Essen in normalen Restaurants ist immer ein Risiko

In normalen Restaurants ist das Essen immer ein Risiko. Viele denken, es reicht, wenn man glutenfreie Nudeln nimmt und der Rest ist dann gut. Aber es geht um die Verarbeitung, glutenfreie Zutaten allein reichen nicht.

Daher ist es wichtig, ausführlich mit den Kellnern oder noch besser mit der Köchin oder dem Koch zu sprechen. Die besten Erfahrungen haben wir gemacht, wenn die Inhaberinnen selbst Zöliakie haben, dann ist es sicher.

Viele gute Tipps über Facebook-Gruppen

Was uns tatsächlich geholfen hat, waren Facebook-Gruppen zu Zöliakie. Der Austausch mit anderen Betroffenen gerade bei den lokalen Gruppen ist wertvoll. Darüber haben wir schon viele praktische Tipps bekommen und immer die neuesten Restaurants und Cafés erfahren, in denen man unbeschwert essen kann.

Für ein Kind ist es schwer, nicht mehr unbeschwert zu sein

Lena hat es am Anfang relativ locker genommen, sie musste ja von einem Tag auf den anderen Diät halten und genau aufpassen, was sie isst. Nach ein paar Wochen hat sie aber dann doch gefragt, ob sie das für immer machen muss. Sie hat die Bedeutung der Erkrankung nicht sofort verstanden.

Aber es hat auch Vorteile: Sie bekommt von mir mehr Süßigkeiten als vorher – glutenfreie natürlich. Auch das Schulessen ist heute nicht mehr Pflicht, das hat ihr auch vorher schon nicht geschmeckt.

Trotzdem haben die und Einschränkungen etwas mit ihr gemacht: Sie ist verunsichert über ihre eigenen Fähigkeiten, das merkt man vor allem in der Schule. Sie hat angefangen, richtige Löcher in ihr Heft zu radieren, weil sie nie zufrieden war. Obwohl sie eine sehr gute Schülerin ist. Es ist ja auch schwierig mit der Zöliakie, plötzlich muss sie immer aufpassen, perfekt sein und nichts Falsches essen.

Mein Mann und ich gehen anders mit den Einschränkungen um

Mit meinem Mann gab es schon Konflikte, weil wir beide anders damit umgehen. Ich habe mich von Anfang an intensiv eingelesen und sehr viel mit dem Thema beschäftigt und war deswegen schon zwanzig Schritte weiter als er.

Es ist aber auch eine Sache des Tempos, er kam gar nicht hinterher. In der Familie bin ich es, die sich um alle Belange des Kinderalltags kümmert.

Ich bin dankbar über die frühe Diagnose

Also die frühe war richtig gut, das ist ja nicht selbstverständlich.

Aber ich sehe trotzdem das Positive: Lena wird Einschränkungen haben, es ist nervig, immer aufpassen zu müssen. Aber sie wird trotzdem ein glückliches Leben führen. Wer kann das bei einer Immunerkrankung schon sagen.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

Seite kommentieren

Was möchten Sie uns mitteilen?

Wir freuen uns über jede Rückmeldung entweder über das Formular oder über gi-kontakt@iqwig.de. Ihre Bewertungen und Kommentare werden von uns ausgewertet, aber nicht veröffentlicht. Ihre Angaben werden von uns vertraulich behandelt.

Bitte beachten Sie, dass wir Sie nicht persönlich beraten können. Wir haben Hinweise zu Beratungsangeboten für Sie zusammengestellt.

Über diese Seite

Erstellt am 14. Dezember 2022

Nächste geplante Aktualisierung: 2025

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

So halten wir Sie auf dem Laufenden

Abonnieren Sie unseren Newsletter oder Newsfeed. Auf YouTube finden Sie unsere wachsende Videosammlung.