Darmkrebs in der Familie: Ist eine Früherkennungsuntersuchung zu einem früheren Zeitpunkt sinnvoll?

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Zur Früherkennung von Darmkrebs wird in Deutschland die Darmspiegelung angeboten: Männern ab 50, Frauen ab 55 Jahren. Viele Fachleute schlagen vor, Menschen, die enge Verwandte mit Darmkrebs haben, schon früher eine Darmspiegelung anzubieten. Allerdings ist unklar, ob dies tatsächlich Vorteile hätte.

Wenn ein enger Verwandter an Krebs erkrankt, stellen sich viele Menschen die Frage, ob sie ebenfalls gefährdet sind. Bei Darmkrebs hängt die Antwort von den genauen Umständen ab.

Es gibt Familien, in denen Darmkrebs bei mehreren, relativ jungen Personen auftritt. Dies kommt vor allem bei zwei erblichen Erkrankungen vor: dem „hereditären nicht polypösen kolorektalen Karzinomsyndrom“ () und der „familiären adenomatösen Polyposis“ (FAP). Um diese Krankheiten zu erkennen, kann es sinnvoll sein, bei nicht erkrankten Familienangehörigen nach bestimmten Genstörungen zu suchen. Betroffenen Familien wird dann eine spezielle Betreuung angeboten. Allerdings sind diese Erkrankungen relativ selten und betreffen nur wenige Familien.

Häufiger kommt es vor, dass zum Beispiel die Eltern in höherem Alter an Darmkrebs erkranken. Auch das könnte darauf hinweisen, dass die Kinder ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben. Zur Früherkennung von Darmkrebs können in Deutschland Männer ab 50 und Frauen ab 55 Jahren eine Darmspiegelung wahrnehmen. Ob diese Untersuchung auch jüngeren Menschen angeboten werden sollte, wenn Geschwister oder Eltern an Darmkrebs erkrankt sind, wird diskutiert.

Um die möglichen Vor- und Nachteile eines solchen Angebots besser beurteilen zu können, hat eine Wissenschaftlergruppe um das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) den bisherigen Stand des Wissens zu folgenden Fragen zusammengetragen:

  1. Wie hoch ist das eigene Darmkrebsrisiko, wenn ein naher Verwandter an Darmkrebs erkrankt ist?
  2. Sind bei einem erhöhten Risiko frühere Untersuchungen zur Früherkennung sinnvoll?
  3. Wenn man Menschen fragt, ob Verwandte an Darmkrebs erkrankt sind: Wie zuverlässig sind ihre Antworten?

Wie hoch ist das Risiko, wenn ein Verwandter an Darmkrebs erkrankt ist?

Die Antwort auf die erste Frage fällt relativ klar aus. Die Forschergruppe fand insgesamt sieben Studien, die untersucht hatten, ob Angehörige von Menschen mit Darmkrebs häufiger ebenfalls an Darmkrebs erkranken.

Die Studien legen nahe, dass Personen unter 55 Jahre mit nahen Verwandten, die an Darmkrebs erkrankt sind, ein etwa 2- bis 4-mal so hohes Darmkrebsrisiko haben wie gleichaltrige Personen ohne erkrankte Verwandte. Allerdings gilt das nur für eng verwandte Menschen, also vor allem für erkrankte Eltern oder Geschwister. Es ist aber nicht klar, ob dieses erhöhte Risiko auf einer vererbten genetischen Anfälligkeit, auf Ähnlichkeiten der Lebensweise oder einer Kombination von beidem beruht.

Sind bei erhöhtem Risiko frühere Früherkennungsuntersuchungen sinnvoll?

Bei jungen Menschen ist das Risiko für Darmkrebs sehr gering, steigt aber mit dem Alter an. Daher wird ab einem Alter von 50 Jahren eine Darmkrebs-Früherkennung angeboten: Für Frauen und Männer zwischen 50 und 54 Jahren bezahlt die gesetzliche Krankenkasse einen Test auf Blut im Stuhl. Alternativ dazu kann man sich ab 50 (Männer) oder 55 Jahren (Frauen) direkt für eine Darmspiegelung entscheiden.

Bei Menschen mit Darmkrebs in der Familie ist das Risiko aber generell höher. Daher könnte es sinnvoll sein, ihnen schon zu einem früheren Zeitpunkt eine Darmspiegelung anzubieten. Allerdings kann eine Darmspiegelung auch Nachteile haben. Das Forscherteam des IQWiG suchte deshalb nach Studien, die gezielt den Nutzen und Schaden einer Darmkrebs-Früherkennung bei jüngeren Personen mit erhöhtem familiärem Risiko untersucht haben.

Hier ist das Ergebnis enttäuschend. Es gibt zwar Studien, die Nutzen und Schaden von Stuhlbluttest und der „kleinen“ Darmspiegelung (Sigmoidoskopie) untersucht haben. Diese haben sich aber auf ältere Personen konzentriert, ohne auf das familiäre Risiko besonders zu achten. Zur „großen“ Darmspiegelung (Koloskopie) fand die IQWiG-Forschergruppe nur zwei Studien mit Personen mit familiärem Risiko: Die Ergebnisse der einen Studie sind nicht verwertbar. Die andere Studie weist verschiedene Mängel auf und unterschied nicht zwischen jüngeren und älteren Personen mit familiärem Risiko.

Ob eine Darmkrebs-Früherkennungsuntersuchung für Personen unter 55 Jahren, deren nahe Verwandte an Krebs erkrankt sind, insgesamt mehr Vor- oder Nachteile hat, ist daher unklar.

Wie zuverlässig ist die Antwort, wenn man nach Darmkrebs bei Verwandten fragt?

Einige Fachleute schlagen vor, dass zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten routinemäßig fragen sollen, ob sie enge Verwandte mit Darmkrebs haben. Es ist allerdings keineswegs garantiert, dass man auf diese Frage eine richtige Antwort erhält: Darmerkrankungen sind vielen Menschen peinlich. Studien zeigen, dass Menschen, die an Darmkrebs erkrankt sind, darüber auch in der Familie oft nicht sprechen. Das kann dazu führen, dass Menschen auf die einfach scheinende Frage „Haben Sie an Darmkrebs erkrankte Verwandte?“ unwissentlich eine falsche Antwort geben.

Die IQWiG-Forschergruppe hat deshalb auch untersucht, wie zuverlässig solche Befragungen sind. Das Ergebnis ist ernüchternd. Obwohl dazu Fragebögen erhältlich sind, ist die Zuverlässigkeit der Antworten unklar. Zu schriftlichen Fragebögen fand die IQWiG-Forschergruppe überhaupt keine Studien.

In der weltweiten Literatur fanden sich nur eine US-amerikanische und eine schwedische Interview-Studie. In beiden Studien wurden die Teilnehmenden zuerst persönlich nach Erkrankungen in der Familie befragt. Dann wurden ihre Angaben überprüft, zum Beispiel indem man in Krankenakten der Verwandten geschaut hat. An den Studien nahmen auch Menschen teil, die deutlich älter als 55 Jahre waren. Die Studien zeigen, dass viele nicht genau wissen, ob ein Familienmitglied an Darmkrebs erkrankt ist:

  • In einer Studie wussten 47 von 100 Personen, die einen erkrankten Verwandten hatten, nichts von der Krankheit, in der anderen Studie waren es 19 von 100. Die falschen Antworten führten dazu, dass eine familiäre Vorbelastung übersehen wurde („falsch-negatives“ Testergebnis). Diese Menschen würde zum Beispiel ein besonderes Früherkennungsangebot gar nicht erreichen.
  • Auch bei Menschen ohne familiäre Vorbelastung kam es zu falschen Antworten: In den Studien gaben bis zu 6 von 100 Personen an, einen Verwandten mit Darmkrebs zu haben, obwohl das in Wirklichkeit gar nicht stimmte. Vermutlich hatten sie Darmkrebs mit anderen Erkrankungen verwechselt. Ohne eine Überprüfung der Antwort würde bei diesen Menschen ein erhöhtes Risiko vermutet, das in Wirklichkeit gar nicht besteht („falsch-positives“ Testergebnis). Würde diesen Menschen eine besondere Früherkennungsuntersuchung angeboten, hätten sie davon keine Vorteile.

Diese Studien zeigen zudem, dass auch eine einfach scheinende Frage unerwünschte Wirkungen haben kann: Denn wer aufgrund seiner Antwort glaubt, dass sein Krebsrisiko erhöht ist, kann schon dadurch in Sorge versetzt werden. Und auch eine Entwarnung muss gut begründet sein: Denn wer sich fälschlicherweise in Sicherheit wiegt, unterlässt vielleicht sinnvolle Untersuchungen zur Darmkrebs-Früherkennung.

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Bewertung des Nutzens einer Früherkennungsuntersuchung für Personen unter 55 Jahren mit familiärem Darmkrebsrisiko: Abschlussbericht; Auftrag S11-01. 2013.

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Darmkrebsfrüherkennung bei Personen unter 55 Jahren mit familiärem Risiko - Aktualisierung: Rapid Report; Auftrag S17-01. 2018.

IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.

Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.

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Aktualisiert am 14. Juli 2021

Nächste geplante Aktualisierung: 2024

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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