Brustaorten-Aneurysma: Wann ist eine vorbeugende Operation sinnvoll?

Foto von Patient und Partnerin im Gespräch mit einer Pflegekraft im Krankenhaus

Ein großes Aneurysma der Brustschlagader kann unerwartet reißen. Mit einem operativen Eingriff mittels offener Operation oder lässt sich dem vorbeugen – allerdings birgt er selbst ebenfalls Risiken. Die Entscheidung muss deshalb sorgfältig abgewogen werden.

Ein großes Aneurysma zu haben, kann beängstigend sein: Wenn es reißt, fließt sehr schnell viel Blut in den Brustraum, was lebensbedrohlich ist. Die meisten großen Brustaorten-Aneurysmen bereiten jedoch ein Leben lang keine Probleme.

Nach groben Schätzungen reißt ein Brustaorten-Aneurysma mit einem Durchmesser von 6 Zentimetern (cm) bei etwa 10 von 100 Menschen innerhalb eines Jahres. Es gilt: Je größer ein Aneurysma ist, desto größer ist das Risiko für einen plötzlichen Riss.

Bei einem großen Brustaorten-Aneurysma ab 5,5 cm raten Ärztinnen und Ärzte daher häufig zu einem operativen Eingriff, um einem Riss vorzubeugen. Es kann aber auch gute Gründe geben, auf einen Eingriff zu verzichten – zum Beispiel, weil ein schlechter Gesundheitszustand oder Begleiterkrankungen eine Operation riskant machen.

Soll ich mein Brustaorten-Aneurysma operieren lassen?

Vor der Entscheidung für oder gegen einen operativen Eingriff ist es sinnvoll, sich gut über die Vor- und Nachteile zu informieren. Diese Entscheidungshilfe unterstützt dabei.

Operieren lassen: ja oder nein?

Ob ein operativer Eingriff sinnvoll ist, hängt von zwei Fragen ab:

  • Wie groß ist das Risiko, dass das Aneurysma in den nächsten Jahren reißt?
  • Wie groß ist das Risiko eines vorbeugenden operativen Eingriffs?

Die Entscheidung für oder gegen einen Eingriff ist bei einem Brustaorten-Aneurysma oft schwierig, da seine Vor- und Nachteile von vielen Faktoren abhängen.

Ärztinnen und Ärzte, die bei einem Brustaorten-Aneurysma einen operativen Eingriff empfehlen, müssen deshalb auf das Recht auf eine zweite ärztliche Meinung hinweisen. Das bedeutet: Man hat die Möglichkeit, die Entscheidung für oder gegen den Eingriff noch einmal kostenlos mit einer anderen Spezialistin oder einem Spezialisten zu besprechen.

Risiko für einen plötzlichen Riss

Ein Riss ist ein lebensbedrohlicher Notfall und muss sofort im Krankenhaus operiert werden. Viele Betroffene sterben, nachdem ihr Aneurysma gerissen ist. Je größer ein Aneurysma ist, desto höher ist das Risiko für einen Riss. Es gibt zwar keine feste Grenze zwischen „harmlosen“ und „gefährlichen“ Brustaneurysmen. Fachleute gehen aber davon aus, dass sie ab einem Durchmesser von etwa 5,5 cm deutlich häufiger reißen als kleinere Aneurysmen.

Neben der Größe machen vor allem folgende Faktoren einen Riss wahrscheinlicher:

  • Das Aneurysma verursacht Beschwerden wie Schmerzen in Brust, Rücken oder Nacken oder Atembeschwerden.
  • Das Aneurysma ist schnell gewachsen.
  • Das Aneurysma ist ungünstig geformt.
  • Es liegt eine genetische Veranlagung oder eine seltene Erbkrankheit des Bindegewebes vor (wie das Marfan-Syndrom).

Frauen haben gewöhnlich eine etwas schmalere Brustschlagader als Männer. Daher ist bei einem gleich großen Aneurysma ihre Brustschlagader bereits stärker gedehnt und ihr Risiko für einen Riss größer als bei Männern.

Risiken eines vorbeugenden operativen Eingriffs

Ein operativer Eingriff an einem Brustaorten-Aneurysma kann Leben retten. Er birgt aber auch das Risiko für schwere Komplikationen wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Lungen- oder Nierenversagen. Sehr selten kommt es zur Lähmung der Beine. Man kann auch infolge des Eingriffs sterben, beispielsweise an einem Herz-Kreislauf-Versagen. Es kann außerdem vorkommen, dass kurz nach der Behandlung oder zu einem späteren Zeitpunkt ein weiterer Eingriff erforderlich ist.

Ärztinnen und Ärzte schätzen deshalb das Risiko für Komplikationen ab. Dabei sprechen folgende Faktoren gegen eine vorbeugende Operation:

  • Jemand hat weitere schwerwiegende Erkrankungen. Eine schwere Herzkrankheit erhöht beispielsweise das Risiko des Eingriffs.
  • Der allgemeine Gesundheitszustand ist so schlecht, dass ein Eingriff zu risikoreich erscheint – zum Beispiel aufgrund fortgeschrittenen Alters und damit verbundener Beschwerden.

Wichtig ist:

Ein Eingriff kommt infrage, wenn das Risiko, dass das Aneurysma in den nächsten Jahren reißt, größer erscheint als die Risiken einer Operation.

Was passiert, wenn nicht operiert wird?

Zu wissen, dass man ein Aneurysma hat, kann belastend sein. Wenn ein Aneurysma nicht operiert wird, empfehlen Ärztinnen und Ärzte, es zu beobachten: Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sollen klären, ob das Aneurysma wächst und das Risiko für einen Riss steigt. Bei Bedarf kann erneut abgewogen werden, ob ein vorbeugender Eingriff infrage kommt.

Die Kontrollen können mit unterschiedlichen bildgebenden Verfahren wie oder erfolgen und auch mit einer Strahlenbelastung einhergehen. Wie häufig kontrolliert wird, richtet sich vor allem nach der Größe des Aneurysmas: Kleine Aneurysmen werden seltener kontrolliert als größere. Zusätzlich zu den Kontrollen empfehlen Ärztinnen und Ärzte, Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck oder erhöhte Cholesterinwerte zu behandeln. Wenn man raucht, wird dazu geraten, damit aufzuhören.

Welche Operationstechniken gibt es?

Es gibt insbesondere zwei Techniken, um ein Aneurysma zu operieren:

  • offene Operation über einen Brustschnitt
  • endovaskulärer Eingriff mit einem über einen kleinen Schnitt oder eine Einstichstelle in der Leiste

Welches operative Verfahren infrage kommt, hängt stark davon ab, wo genau das Aneurysma liegt: Aneurysmen in der aufsteigenden Brustschlagader werden gewöhnlich offen operiert. Bei Aneurysmen der absteigenden Brustschlagader bevorzugen Ärztinnen und Ärzte das endovaskuläre Verfahren, sofern es technisch möglich ist.

Vor dem Eingriff werden Brustschlagader und Aneurysma mit einem bildgebenden Verfahren detailliert dargestellt, meist einer . Dies ist wichtig, um die Operation zu planen. Die Untersuchung soll beispielsweise klären:

  • wie das Aneurysma geformt ist
  • wo das Aneurysma liegt
  • ob an der Stelle andere Blutgefäße von der Hauptschlagader ausgehen
  • wie lang das Aneurysma ist
  • ob das Aneurysma bis in den Bauchraum reicht
  • ob es eine passende Gefäß- oder Stent-Prothese gibt

Eine geht mit einer Strahlenbelastung und gegebenenfalls der Gabe eines Kontrastmittels einher.

Bei der Wahl des operativen Verfahrens spielt auch eine Rolle, wie die Gefäßwand der Brustschlagader beschaffen ist oder ob man eine genetisch bedingte Erkrankung des Bindegewebes hat. Einige Kliniken haben sich auf ein bestimmtes operatives Verfahren spezialisiert.

Wie läuft eine offene Operation ab?

Bei der offenen Operation wird das Aneurysma geöffnet und ein künstlicher Gefäßschlauch (Gefäß-Prothese) in die Aorta eingesetzt.

Für die offene Operation ist eine erforderlich. Dann wird zunächst der Brustraum über einen langen Schnitt geöffnet und der Blutfluss durch die Schlagader unterbrochen. Bei Aneurysmen in Herznähe wird die Patientin oder der Patient an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen: Der natürliche Herzschlag wird angehalten, während die Maschine die Funktion von Herz und Lunge übernimmt. Dadurch werden alle wichtigen Organe wie das Gehirn während der Operation weiter ausreichend mit Sauerstoff versorgt.

Die Ärztinnen und Ärzte schneiden das Aneurysma auf, setzen dort einen Schlauch aus Kunststoff (Gefäß-Prothese) ein und befestigen diesen durch Nähte. Wenn die Gefäß-Prothese sitzt, wird der Blutstrom durch die Schlagader wieder freigegeben.

Die Grafik zeigt links das geöffnete Aneurysma mit eingesetzter Gefäß-Prothese und rechts, wie das Blut danach durch die Prothese strömt.

Der Eingriff dauert mehrere Stunden. Im Anschluss an die Operation wird man zuerst für einige Tage auf die Intensivstation gebracht und bleibt insgesamt meist etwa 2 bis 3 Wochen im Krankenhaus. Es kann mehrere Wochen bis Monate dauern, bis es wieder möglich ist, dem normalen Alltag nachzugehen. Nach der Operation sind einzelne Kontrolluntersuchungen vorgesehen.

Eine offene Operation kommt für Menschen mit schweren Begleiterkrankungen des Herzens, der Atemwege oder der Niere häufig nicht infrage, weil sie zu gefährlich ist.

Wie läuft ein endovaskulärer Eingriff ab?

Bei einem endovaskulären Eingriff führt die Ärztin oder der Arzt im Bereich der Leiste einen in die Beckenarterie ein. An der Spitze des Katheters steckt eine Stent-Prothese. Das ist ein Schlauch aus Drahtgeflecht, der mit Kunststoff ummantelt ist.

Über diese Arterie wird die Katheterspitze mit dem Stent bis in das Aneurysma vorgeschoben. Ist das Aneurysma erreicht, entfaltet sich der Stent an der Spitze des Katheters und wird an die Innenwand der Brustschlagader gepresst. Der wird anschließend zurückgezogen. Damit die Stent-Prothese an der richtigen Stelle platziert wird, wird die Schlagader während des Eingriffs meist mit Röntgenstrahlung und einem Kontrastmittel abgebildet.

Nach dem Eingriff strömt das Blut durch den Stent. Mit der Zeit verwachsen die Enden des Stents mit der Gefäßwand. Dadurch wird die Wand entlastet, die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass das Aneurysma weiter wächst oder reißt.

Die Grafik zeigt, wie bei einem endovaskulären Eingriff ein Katheter mit Stent-Prothese in die Beckenarterie eingeführt wird.
Die Grafik zeigt links, wie die Stent-Prothese in das Aneurysma eingesetzt wird und rechts, wie das Blut durch die Prothese strömt.

Es wird meist unter operiert. Im Durchschnitt ist danach ein etwa 1- bis 2-wöchiger Krankenhausaufenthalt nötig, anfangs auf der Intensivstation. Es kann einige Wochen dauern, bis man vollständig genesen ist.

Nach dem Eingriff wird geprüft, ob die Stent-Prothese richtig liegt, dichthält und nicht geknickt ist. Fachleute empfehlen lebenslange Kontrolluntersuchungen. Die Stent-Prothese wird oft mithilfe einer überprüft, die mit einer Strahlenbelastung einhergeht. Manchmal wird stattdessen ein gemacht.

Welche Komplikationen können auftreten?

Sowohl eine offene Operation als auch ein endovaskulärer Eingriff können zu schweren Komplikationen führen. Man kann auch infolge des Eingriffs sterben.

Die meisten schweren Komplikationen entstehen, wenn es während des Eingriffs nicht gelingt, wichtige Organe ausreichend zu durchbluten. Weil am Aortenbogen mehrere große Gefäße abzweigen, die unter anderem das Gehirn mit Sauerstoff versorgen, sind Eingriffe dort besonders schwierig. Auch Aneurysmen, die einen großen Teil der absteigenden Brustaorta einnehmen, können eine Herausforderung sein. Denn entlang der Brustaorta zweigen viele Gefäße ab, die das Rückenmark durchbluten.

Typische schwere Komplikationen sind insbesondere:

  • neurologische Komplikationen wie Empfindungsstörungen, eingeschränkte Beweglichkeit oder sehr selten Lähmung der Beine
  • starke Blutungen
  • schwere Nierenerkrankungen
  • oder

Außerdem bestehen allgemeine Operationsrisiken, beispielsweise für eine oder gestörte Wundheilung.

Eine offene Operation ist in der Regel mit einem großen Blutverlust verbunden. Außerdem hinterlässt sie eine deutliche Narbe. Manchmal ist hinterher auch ein weiterer, meist kleinerer Eingriff mit einem erforderlich – beispielsweise, wenn die Gefäß-Prothese undicht ist.

Bei einem endovaskulären Eingriff kann die Beckenarterie verletzt werden, über die der vorgeschoben wird. Außerdem kann die Stent-Prothese verrutschen, sich zusetzen oder sie hält nicht dicht. Auch wenn die Stent-Prothese nicht richtig eingesetzt werden konnte oder defekt ist, kann ein weiterer operativer Eingriff nötig sein.

Wichtig ist,

nachzufragen, welche Risiken mit einem vorbeugenden operativen Eingriff einhergehen, wenn die Ärztin oder der Arzt dazu rät.

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Erstellt am 15. Januar 2025

Nächste geplante Aktualisierung: 2028

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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