Beschwerden und Diagnose bei ME/CFS

Foto von Patientin im Rollstuhl und Pfleger

Bei einem Verdacht auf ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom) braucht es verschiedene Untersuchungen, um die Erkrankung festzustellen oder auszuschließen. Außerdem muss der Verlauf der Beschwerden gut beobachtet werden.

Wer sich dauernd stark erschöpft und wenig belastbar fühlt, wendet sich am besten zunächst an die hausärztliche Praxis. Dort sind verschiedene Untersuchungen möglich und vielleicht wird schon die Ursache der Beschwerden gefunden. Eventuell sind weitere Untersuchungen nötig. Dann wird, je nach Situation, an Fachärztinnen und -ärzte überwiesen – zum Beispiel für Neurologie, Innere Medizin oder Psychosomatik. Die Untersuchungen bei verschiedenen Fachrichtungen dienen dazu, unterschiedliche mögliche Ursachen abzuklären. Allerdings gibt es bisher in Deutschland nur wenige Einrichtungen, die auf die und Behandlung von Menschen mit ME/CFS spezialisiert sind.

Einige Erkrankte haben bereits verschiedene falsche Diagnosen oder sogar Fehlbehandlungen hinter sich. Sie haben eventuell die Erfahrung gemacht, dass Ärztinnen und Ärzte ihre Beschwerden nicht ernst nehmen oder als rein psychisch einstufen. Oft fällt es Betroffenen auch schwer, von den Beschwerden zu berichten – unter anderem, weil die Kraft dazu fehlt. Nach langer Zeit die richtige zu erhalten, kann dann entlastend sein.

Welche Beschwerden treten bei ME/CFS auf?

Die sogenannte Post-exertional Malaise (PEM, auch Belastungsintoleranz genannt) ist das leitende Merkmal einer ME/CFS. Das bedeutet: Schon nach leichten körperlichen und geistigen Aktivitäten können Beschwerden zunehmen. Je nach Schweregrad können das ein kurzer Spaziergang, Duschen oder ein anstrengendes Gespräch sein. Eine PEM tritt manchmal erst 1 bis 2 Tage nach der Anstrengung auf und kann Stunden, Wochen oder Monate andauern.

Zu den Beschwerden bei ME/CFS gehören:

  • Eine starke, vorher nicht gekannte Erschöpfung (), die durch Ruhe und Erholung kaum besser wird. Zur Arbeit oder in die Schule zu gehen oder sich mit Freunden und Familie zu treffen, kostet viel Kraft oder ist nicht mehr möglich.
  • Ein gestörter oder nicht erholsamer Schlaf. Dazu gehören Einschlafprobleme, häufiges Aufwachen oder das Gefühl, morgens genauso erschöpft zu sein wie vor dem Zubettgehen.
  • Konzentrations- und Wortfindungsstörungen, stark verlangsamtes Denken und ein schlechtes Kurzzeitgedächtnis. Betroffene haben das Gefühl, ihr Gehirn sei wie vernebelt („brain fog“).
  • Kreislaufstörungen: Im Sitzen oder Stehen kommt es zu Beschwerden wie Schwindel, Übelkeit, Zittern, erhöhtem Puls oder Herzrasen. Der Fachbegriff lautet „orthostatische Intoleranz“. Sie bessert sich meist erst im Liegen.
  • Schmerzen (betroffen sind etwa Kopf, Gelenke, Muskeln oder Lymphknoten).

Weitere Beschwerden, die bei ME/CFS auftreten können, sind zum Beispiel:

  • grippeähnliche Symptome, leicht erhöhte Temperatur
  • erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Licht, Gerüchen und Geräuschen
  • gestörte Steuerung der Körpertemperatur (zum Beispiel schnelles Frieren oder Schwitzen)
  • Durchblutungsstörungen mit kalten und blau verfärbten Fingern oder Zehen
  • Verdauungsbeschwerden
  • Übelkeit
  • psychische Folgen wie Angst, und Verzweiflung

In welche Schweregrade wird ME/CFS eingeteilt?

Bei ME/CFS werden folgende Schweregrade unterschieden:

  • leicht: Es gelingt weitgehend, für sich selbst zu sorgen. Allerdings fallen viele Aktivitäten deutlich schwerer als früher. Freizeitaktivitäten werden zurückgefahren und bei der Arbeit fällt man häufiger aus. Der Feierabend und das Wochenende werden oft gebraucht, um sich einigermaßen zu erholen.
  • moderat: Die Wohnung zu verlassen, fällt schwerer, Aktivitäten werden sehr mühsam und lösen eher eine Post-exertional Malaise (PEM) aus. Die Beschwerden schwanken stark. Es ist kaum mehr möglich zu arbeiten, zwischendurch sind lange Erholungspausen nötig. Der Schlaf ist gestört.
  • schwer: Ohne Unterstützung sind Aktivitäten, die über kleinere Tätigkeiten wie Zähneputzen oder Kämmen hinausgehen, kaum noch zu schaffen. Die Konzentrationsfähigkeit ist deutlich eingeschränkt, Licht- und Geräuschempfindlichkeit sowie Schmerzen können zunehmen. Es gelingt kaum noch, das Haus zu verlassen, und es wird viel Zeit im Bett verbracht. Um sich fortzubewegen, kann ein Rollstuhl nötig sein. Es braucht viel Zeit, um sich von kleineren Aktivitäten zu erholen.
  • sehr schwer: Das Bett kann kaum noch verlassen werden, umfassende pflegerische Hilfe ist nötig. Es gelingt nicht mehr, sich allein zu waschen, zu bewegen oder zu essen. Manchmal fällt sogar das Schlucken schwer, sodass künstliche Ernährung erforderlich wird. Hinzu kommt eine starke Empfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen.

Etwa drei Viertel der Betroffenen haben eine leichte oder moderate Erkrankung. Etwa ein Viertel der Menschen mit ME/CFS kann das Haus nicht mehr verlassen oder ist sogar bettlägerig.

Wie zeigt sich die Krankheit bei Kindern und Jugendlichen?

Kinder und Jugendliche haben ähnliche Beschwerden wie Erwachsene: Auch bei ihnen können sich Symptome schon nach leichten Aktivitäten verstärken. Typisch sind auch hier starke Erschöpfung, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie Schmerzen. Bei Kindern und Jugendlichen heilt ME/CFS eher wieder aus als bei Erwachsenen.

Die ist allerdings schwieriger. Vor allem jüngere Kinder beschreiben Beschwerden anders als Erwachsene oder nehmen sie anders wahr. So kann es beispielsweise sein, dass sie ihre Erschöpfung gar nicht als ungewöhnlich erkennen, weil sie sich nicht daran erinnern, wie sie sich vor der Erkrankung gefühlt haben. Zudem kann es Kindern und Jugendlichen schwerer fallen, ihre Aktivitäten so einzuteilen, dass sich die Beschwerden nicht verschlechtern.

Kinder und Jugendliche mit ME/CFS fehlen oft lange in der Schule. Sie haben weniger soziale Kontakte und sind in der Freizeit weniger aktiv als gesunde Gleichaltrige. Oft erleben sie starke Stimmungsschwankungen. Zudem können die Schulnoten schlechter werden, weil die Konzentration schwerer fällt. Viele Jugendliche machen sich Sorgen um ihre Zukunft und entwickeln Ängste, „zurückzubleiben“, keine gute Ausbildung und keinen Beruf zu finden und in Abhängigkeit leben zu müssen.

Wann wird ME/CFS diagnostiziert?

Fachleute verwenden international verschiedene Diagnose-Instrumente, um ME/CFS festzustellen. Dabei handelt es sich um vorgegebene Listen von Fragen zu Symptomen, die zusammen mit Patientinnen und Patienten beantwortet werden müssen. Allen Diagnose-Instrumenten gemeinsam ist:

  • Es bestehen sowohl eine Erschöpfung (), die durch Erholung kaum besser wird, als auch eine starke Zunahme der Beschwerden schon nach leichten körperlichen und geistigen Aktivitäten (Post-exertional Malaise, PEM).
  • Es müssen weitere Beschwerden wie zum Beispiel Schlafstörungen, Schmerzen, Konzentrationsstörungen oder orthostatische Intoleranz auftreten. Die verschiedenen Diagnose-Instrumente unterscheiden sich vor allem dadurch, welche weiteren Beschwerden erfasst werden.
  • Die Beschwerden bestehen länger als 3 bis 6 Monate.
  • Es wurde keine andere Ursache für die Beschwerden gefunden.

Bis die feststeht, brauchen alle Beteiligten Geduld. ME/CFS kann einigermaßen zuverlässig erst nach einer gewissen Zeit und sorgfältigen Untersuchungen festgestellt werden.

Welche Untersuchungen finden statt?

Es gibt keinen einzelnen medizinischen Test, mit dem ME/CFS nachgewiesen werden kann. Deshalb werden verschiedene Untersuchungsmethoden eingesetzt, wenn ME/CFS-ähnliche Beschwerden bestehen. Zu den Standarduntersuchungen gehören:

  • : ärztliches Gespräch mit Fragen zur Krankheitsgeschichte, zu bestehenden Erkrankungen, zur Stärke der Beschwerden und zu ihren Auswirkungen. Dabei ist insbesondere wichtig, ob eine Post-exertional Malaise (PEM) vorliegt.
  • körperliche Untersuchung
  • Test auf Kreislaufbeschwerden beim Aufstehen (Schellong-Test)
  • Untersuchung des Blutes, eventuell auch des Urins

Auch die Messung der Handkraft kann sinnvoll sein. Dabei drückt man so stark es geht mit einer Hand die Feder eines Messgerätes zusammen. Damit wird gemessen, wie die Muskelkraft durch Belastung abnimmt. Manchmal kommen weiterführende Untersuchungen wie ein EKG, Röntgen oder eine infrage – vor allem, um mögliche andere Ursachen für die Beschwerden zu erkennen oder auszuschließen.

Es ist zudem hilfreich, ein Symptomtagebuch zu führen. Darin lassen sich Tätigkeiten festhalten und die Zeiten, wann welche Beschwerden auftreten.

Welche Erkrankungen können ähnliche Symptome wie bei ME/CFS hervorrufen?

Die Beschwerden bei ME/CFS können denen bei anderen Erkrankungen ähneln. Vor allem die folgenden Erkrankungen sollten in Betracht gezogen werden, bevor die ME/CFS gestellt wird:

ME/CFS kann auch gemeinsam mit diesen Erkrankungen auftreten.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen ME/CFS und Covid-19?

Nach einer Corona-Infektion kann es zu Beschwerden kommen, die einer ME/CFS ähneln oder sogar gleichen. Manche Betroffene berichten von starker Erschöpfung, mangelnder Belastbarkeit und Konzentrationsstörungen, die auch noch Monate nach Erkrankungsbeginn bestehen. Dauern die Beschwerden mehr als vier Wochen an, spricht man von Long Covid. Wenn belastende Beschwerden länger als zwölf Wochen anhalten und sich nicht anders als durch die Corona-Infektion erklären lassen, spricht man nach der Definition der () von Post Covid.

Bei manchen dieser Betroffenen wird die ME/CFS gestellt. Zur Frage, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ME/CFS und Post Covid bestehen, ist aber noch einiges offen. Informationen zu Long Covid und Post Covid hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zusammengestellt.

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Erstellt am 15. Mai 2023

Nächste geplante Aktualisierung: 2026

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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