Als die Diagnose gestellt wurde, war ich froh, endlich etwas in den Händen zu haben

Foto von Mutter und Tochter im Gespräch

Carolin, 38 Jahre

"Ich hatte den Satz von der Ärztin noch im Ohr, dass nach der Behandlung alles weg sein würde. Das war eine große Enttäuschung für mich. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht realisiert, dass ich an einer chronischen Erkrankung erkrankt bin."

Ich habe 1995 erfahren, dass ich an Endometriose erkrankt bin. Aber ich hatte eigentlich schon immer Regelschmerzen. Die Schmerzen waren sehr stark, so dass mir übel wurde und ich manchmal ohnmächtig geworden bin. Aber mir war zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst, dass das krankheitsbedingt sein könnte. Ich bin ganz normal schwanger geworden und hatte auch mit der Schwangerschaft keine Probleme.

Die drei Jahre vor der Diagnosestellung waren von sehr starken Schmerzen gekennzeichnet. Ich habe mich in Behandlung begeben, weil die Intensität der Schmerzen zunahm und ich dies einfach nicht mehr tolerieren wollte und auch nicht konnte. Diese Zeit des Suchens nach der Ursache hat mich sehr belastet. Unter anderem auch dadurch, dass sehr viel an mir ausprobiert wurde. Ich habe nacheinander verschiedene Medikamente bekommen und es wurde geschaut, ob sie vielleicht helfen. Dieses Ausprobieren und dieses Unwissen über die Ursache hat mich belastet. Irgendwann fing ich an, an mir selbst zu zweifeln: ob ich mir die Schmerzen nicht einbilde, so wie mir immer wieder gesagt wurde.

Ich merkte schnell, dass ich wieder in Behandlung gehen muss

Im Jahr der bin ich fast bei jedem Zyklus zu meinem Arzt gefahren und wurde insgesamt viermal operiert. Als die gestellt wurde, war ich sehr froh, endlich etwas in den Händen zu haben. Meinem Arzt ging es genauso. Die vierte Operation, bei der die gestellt wurde, war eine sehr schwere Operation. Trotzdem war ich froh zu wissen, dass die Schmerzen eine Ursache haben und ich mir das alles nicht einbilde.

Der Arzt hatte alle Endometrioseherde so weit entfernt wie er konnte. Ich merkte aber relativ schnell, dass ich wieder in Behandlung gehen muss. Ich hatte den Arzt gewechselt und meine neue Ärztin hat mir etwas gesagt, was ich damals einfach wunderbar fand. Sie sagte: "Ich habe etwas, womit ich Ihnen helfen kann. Ich werde Sie in die künstlichen spritzen für ein halbes Jahr. Und danach ist alles weg." Und an diesen letzten Satz habe ich mich sehr geklammert.

Diese Behandlung mit den Spritzen war ein großer Einschnitt für mich. Innerhalb von drei Wochen fühlte ich mich wie eine alte Frau. Ich war noch keine 30 Jahre alt und fühlte mich wie 70. Ich kam die Treppen kaum noch hoch, meine Gelenke taten mir weh und ich bekam Hitzewellen. Aber ich war in diesem Zeitraum schmerzfrei, was die Endometriose betrifft. Von daher habe ich diese Nebenwirkungen gut wegstecken können.

Nach der Behandlung hatte ich etwa ein Jahr keine Beschwerden. Dann entwickelten sich wieder Herde und die Schmerzen setzten wieder ein. Die Ärztin hat mir dann vorgeschlagen, die Gebärmutter zu entfernen. Damals war ich 29. Die Gebärmutter ist etwas, was ich nicht hergeben wollte und immer noch nicht hergeben will. Von meinem Eindruck her waren die Schmerzen viel heftiger als vorher. Das war für mich von der psychischen Seite sehr schlimm. Ich hatte den Satz von der Ärztin noch im Ohr, dass nach der Behandlung alles weg sein würde. Das war eine große Enttäuschung für mich. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht realisiert, dass ich an einer chronischen Krankheit erkrankt bin.

Ich gehöre zu den Frauen mit Endometriose, die täglich Schmerzen haben. Das Familienleben und die Sexualität haben sehr darunter gelitten. Mein Partner und ich, wir haben keine Sexualität mehr gelebt. Ich habe aufgrund der Schmerzen sofort blockiert und mein Partner hatte Angst, mir weh zu tun. Es war für mich besonders schwierig, dass mein Partner über sich und seine Ängste nicht mit mir gesprochen hat. Wir hatten uns mit der Zeit entfremdet. Ich wollte nicht angefasst werden, auch nicht gestreichelt werden. Es tat mir alles nur weh. Das war sehr extrem und erforderte von meinem Partner sehr viel Geduld und Verständnis.

Jetzt habe ich wieder gelernt, Zärtlichkeit zu erleben und Lust zu empfinden. Wir haben zusammen gelernt, eine andere Sexualität zu leben. Es war ja nach wie vor so, dass ich Schmerzen hatte. Schon allein, dass wir darüber gesprochen haben, war sehr hilfreich. Zu klären, wann es mir nicht weh tut und ihm auch die Angst zu nehmen. Das hat uns sehr geholfen, auch auf der körperlichen Ebene wieder zueinander zu finden.

Ich habe sehr viele Schmerzmittel eingenommen. Da die Schmerzen täglich da waren, habe ich die Medikamente auch täglich genommen. Irgendwann hat die Dosis dann nicht mehr ausgereicht. Auch der Druck der Kolleginnen hat zugenommen. Sie sagten dann einfach: "Ich verstehe das nicht mit Deinen Regelproblemen. Meine Regel tut auch weh. Nach einem halben Tag sind dann die Schmerzen weg." Das nahm dann alles zu: der Druck auf Arbeit, der Druck von der Familie und mein eigenes schlechtes Gewissen gegenüber meiner Familie. Ich wurde auch von sehr engen Verwandten enttäuscht, von denen ich das vorher nicht gedacht hätte. Irgendwann kam es dann zu einem seelischen und körperlichen Zusammenbruch. An diesem Punkt habe ich gemerkt, dass ich ganz unten bin und dass es nicht mehr tiefer geht. Mein Mann und ich haben uns dann zusammengesetzt und gesagt: Wenn ich jetzt nicht etwas für mich mache, dann passiert das Ganze nochmal. Wir haben dann in der Familie beschlossen, dass ich mich krankschreiben lasse.

Jetzt geht es nur um mich

Gemeinsam mit meinem Netzwerk aus Ärzten habe ich anschließend einen Antrag für einen Rehabilitationsaufenthalt gestellt, den ich dann auch bewilligt bekommen habe. Und zwar an einem Ort mit einem speziellem Endometriose-Programm. Ich bin dann mit dem Gedanken hingefahren, den ich mir vorher nicht erlaubt habe: Jetzt geht es nur um mich.

Es waren nach wie vor Schmerzen da. Allerdings waren es zyklische Schmerzen. Und ich lernte langsam aber sicher, damit umzugehen. Ich habe aber auch für mich gemerkt, dass es bei mir etwas mit Ruhe zu tun hat. Ich merke auch, dass dieser zyklische Schmerz viel stärker ist, wenn ich im Stress stehe. Wenn ich mir Zeit genommen und mir Ruhe gegönnt habe, hat das meinem Bauch gut getan. Ich habe etwas sehr Beeindruckendes für mich kennen gelernt: verschiedene Entspannungstechniken. Für mich war besonders Aquarobic wichtig. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Als ich dann wieder zu Hause war, konnte ich mir in Schmerzsituationen sehr gut mit Entspannung helfen. Auch hilft mir persönlich die zur Schmerzbewältigung ganz gut. Ich achte jetzt ganz anders auf mich. Wenn Schmerzen da sind oder die Regel ansteht, dann lege ich mich hin und nutze die Zeit für mich. Ich hatte nach der Reha nicht mehr die schweren Probleme mit der Endometriose. Ich konnte mir helfen. Ich gehe jetzt auch mit den Medikamenten ganz anders um.

Bei mir hat sich durch die täglichen Schmerzen die Körperhaltung verändert. Ich habe mich ständig verkrampft und konnte gar nicht mehr locker lassen. Ich habe während der Rehabilitation wieder gelernt, meinen Körper zu spüren und wahrzunehmen und ich habe gelernt, was ich Gutes für mich tun kann. Ich habe dann in Vielem meinen Weg gefunden.

Mir persönlich hat die Selbsthilfegruppe sehr bei der Bewältigung der Krankheit geholfen. Mir hat es geholfen, darüber zu reden und die Erfahrungen mit anderen zu teilen.

Meine Krankheit ist meine Chance gewesen, etwas im Leben zu verändern. Man kann mit Endometriose leben. Sie begleitet mich. Sie hat aber keine Gewalt mehr über mich.

Danksagung

Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des IQWiG dar.

Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.

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Aktualisiert am 24. Februar 2021

Nächste geplante Aktualisierung: 2024

Herausgeber:

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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